Tuusigi vo Liechter

Südpol Club Kriens, 04.02.2017: Eins zwei drei, Feuerpolizei. Bei der GeilerAsPlattentaufe von «Turbo Mate & Kalaschnikow» war für viele kein Reinkommen. Der Rezensent solidarisiert sich mit den Ausgeschlossenen und schreibt eine Kritik, ohne dabeigewesen zu sein. (Foto: geilerasdu.ch)

Ticket1

GeilerAsDu braucht keine Vorband. Die Fans schwitzen aus Geilheit schon, während DJ Lui G die Saalfüllung mit Konservensound unterlegt. Es ist gewagt, dass die MCs Luzi und Mike diese Erregung mit dem ruhigen, nachdenklichen Track «8 Kilometer» konfrontieren, als sie unscheinbar und doch mit bestimmten Schritten die Bühne betreten. Doch so soll es beginnen: sanft und empathisch. Da ist kein «Hallo Luzern! Sender readyyyyyy?» mit Airhorn-Geballer – die erste Line des Abends ist «Jede Tag lösched Tusigi vo Liechter i der enne ab» und damit verdunkelt sich der Raum. Schnell haben die Rapper das Publikum in die Atmosphäre des Tracks reinbegleitet. Wir sitzen nun alle in einem Boot und begeben uns auf eine musikalische Reise. Erste Feuerzeuge und Handydisplays entfachen sich am Himmel.

Ticket2

Einige Tracks später brennt die Hütte. Ekstatisch klatscht der Bombenbeat von «Mia Khalifa» der Frontrow ins Gesicht. «Liiche im Wasser / so mereri tuusig // Aber nor bi Germanwings semmer truurig» schreit es aus Mikes hundert Pferdelungen in die hintere Reihe und von dort zurück. Eine Verschnaufpause gibts gleich danach, wenn man in der ersten Strophe von «Coke Zero» plötzlich wieder vor dem Bildschirm zuhause sitzt und die Wut stumpfer Deprimiertheit weicht. Dann aber der kurze Break vor dem Refrain, Luzi und Mike sinken in wippende Knie, Rauch schlängelt sich über die Bühne. Und Boom alle Hände gehen von alleine hoch für den Refrain. Dieser magische Moment, wenn der Chor die Boxen überschallt. Eskapistische Partystimmung macht sich breit. Ein langsames Strobo begleitet die Zerstückelung der eigenen Weltwahrnehmung.

Ticket3

Auf den Fluchtversuch folgt die Dunkelzelle. Ganz schwarz malt Luzi in «Godzilla» und «Reset». Doch Farbe kommt wieder: mit «Rotebode» bringt er Liebe und Leben zurück, was dann sogleich zusammen mit Mike in «Feel This Too» zelebriert wird. Sie geben sich einander hin in diesem Dialog, das Publikum wird zur Nebensache. Während das herzenöffnende Instrumental von Hanreti ausklingt, verlassen die beiden MCs wie Derwische tanzend die Bühne, abwesend vom Rest, keine Verabschiedung. Bevor die Masse zum «Zugabe»-Kanon ansetzen kann, posaunt jemand laut «chömed zrogg er mongos» hinaus. Lachen, jubeln, klatschen.

Ticket4

Ein Synthieteppich rollt sich langsam aus. Gesurre und Gepfeife pipst in die Leere. Alle wissen, was jetzt kommt (O-Ton: «hoooh!»). GeilerAsDu heult nicht und holt sich die Zukunft zurück! Und zu guter Letzt das Luzerner Pendant zu Manillios «Monbijou»: «Mittelpunkt». Sogar eine kleine Choreo inklusive Lui G gibt die Crew während dem ersten Refrain zum Besten. Danach steigt Luzi hinunter in die Crowd und rappt «go wäg ond lueg wini mech entfalte». Ein Kreis bildet sich um ihn. Statt «Mhysa»-Rufen wird mitgespittet. Dann kommt der zweite Refrain, Luzi bleibt unten und schaut zu Mike rauf: «log du besch so / log du besch so ...» Und er runter: «log du besch so / log du besch so ...». Und dann für den Schluss beide oben runter: «log er send so / log er send so ...». Und unten dann rauf: «jo mer send so / jo mer send so». Und wer weiss, vielleicht wiederholt sich der Ohrwurm noch bis heute in manchen Köpfen, die an diesem Abend ein HipHop-Konzert der schöneren Sorte erlebt haben.

Ticket5

Draussen auf dem Vorplatz werde ich gefragt, ob denn nun null41.ch auch auf den Falschfaktenzug aufspringe. Ich antworte, dass das kein Zug ist, wo man raufspringen und irgendwo hinfahren könnte, sondern eine Entgleisung. Verwechsle nicht erzählerische Fiktion mit politischer Vernebelung. Das eine ist ein wunderbarer Bestandteil unserer Kultur. Das andere ist eine wundenmachende Krankheit derselben.

P.S. Die Hoffnung stirbt zuletzt und nicht immer:

Zusatzkonzert

 

Wir verlosen 2 x 2 Tickets für die GeilerAsDu-Zusatzshow am 11. März in der Schüür! Gewinnerinnen und Gewinner werden bis am 15. Februar benachrichtigt. Hier mitmachen: