Trubel im Strudel

Südpol, 23.09.14: Wer kennt es nicht: Kartonkisten voller Erinnerungen, die man vielleicht ein Leben lang mit sich herumträgt. Wie viel Ballast hält man aus oder was wiegt die eigene Vergangenheit? Daniel Korber, Regisseur und Drehbuchautor von «Verona 3000», nimmt sich diesen Fragen in seinem ersten Solostück «Ballast Abwerfen» an.

(Von Flavio Marius)

Eine stattliche Wand aus Kartonkisten bildet die Kulisse für diese sogenannte One-Mensch-Show von Daniel Korber. Eine dieser Kisten ist ausschlaggebend für das nun folgende Bühnenstück: Korber und Anna Papst (Regie) sprechen von einem Gedankenstrudel, der einsetzt, sobald man die Kartonkisten voller Kindheitserinnerungen aufmacht: Man betrachtet, erinnert sich und schweift ab in die Vergangenheit. Dabei hätte man eigentlich Aufräumen sollen. Diesem Prozess wollten sich die beiden nicht bloss thematisch nähern. Es ging ihnen in ihrem Stück darum, nicht dem üblichen Vorgehen zu folgen und dieses Abschweifen in Form einer Geschichte auf die Bühne zu bringen, sondern dem Sog des Strudels zu folgen und dessen Wirkung umzusetzen. Dieses Unterfangen gelingt, wenn auch über unnötige Umwege. So wird der Strudel in vier Gedankenexperimente gegliedert, die rund um das Thema Ballast Abwerfen kreisen. Die widersprüchliche Absicht aber, den Strudel zu ordnen, schwächt bedauerlicherweise dessen zunehmenden Sog und lässt auch die ordnenden Gedankenexperimente als Fremdkörper darin erscheinen. Das verwirrt viel mehr, als es dem Stück zuträglich wäre, insbesondere deshalb, weil plötzlich der thematische Zusammenhang in Frage gestellt werden kann. Stattdessen lebt das Stück von den lückenlosen Übergängen in immer unerklärbarere Tiefen des Erinnerns, verdeutlicht am Beispiel von Korbers Spielsachen. Hier gelingt es ihm, durch seine Performance das gedankliche und emotionale Abschweifen zu verkörpern, ohne dabei viel zu erklären. Im Gegenteil: Je weniger er dem Publikum erzählt, indem er einfach spielt, um so näher sind uns Korbers Kindheitserinnerungen und damit vielleicht auch unsere eigenen. Der Darsteller bringt aber leider nur eine persönliche Kiste aus seinem Keller mit. Doch steht da immer noch das Mauerwerk aus Karton, dessen Absicht besonders darin zu liegen scheint, etwas verstecken zu wollen: Zu schwach ist die Interaktion des Darstellers mit seiner Umgebung, denn nur selten wird das Schauspiel mit dem Bühnenbild verwoben. Auch denkt sich Korber zu wenig Vorwände aus, um die Kulisse zwischen den Szenen spielerisch umzubauen und die Lücken zwischen den Szenen zu schliessen. Daraus ergeben sich unnötige Längen, die dem angestrebten Strudel natürlich nicht zuträglich sind. Was das Mauerwerk tatsächlich verbirgt, hat es aber in sich und stellt den absoluten Höhepunkt des Abends dar: Eine prähistorische Gestalt, soviel sei gesagt, von beeindruckendem Ausmass tanzt leichtfüssig zu eingängiger Popmusik, als ob es kein Morgen gäbe. Ein Moment unfassbarer Absurdität und somit das geniale Ende des Strudels.

Weitere Vorführungen: 24.|25.|26.|27. September, jeweils 19.00 oder 20.00 Uhr, Südpol Luzern.