Trost in der Düsterheit

Sedel, Luzern, 14.12.2017: KiKu & Blixa Bargeld & Black Cracker liefern ein avantgardistisches Spektakel, das die gesamte Aufmerksamkeit und Energie des Publikums für sich in Anspruch nimmt, Fragen aufwirft und diese wieder vergessen lässt.

 

Es ist einer dieser Abende, an denen ich es sofort bereue, nicht den Shuttle-Bus zum Sedel genommen zu haben, sondern mich stattdessen zu Fuss auf den Weg gemacht habe. Schon den ganzen Tag lang hängen graue Wolken über der Stadt und der Dezemberregen verleitet dazu, sich ernsthaft überwinden zu müssen, überhaupt die Wärme der Wohnung zu verlassen.

 

Einsam kämpfe ich mich den Hügel zum ehemaligen Gefängnis hoch. Nur ein Schirm schützt vor dem Niederschlag, und isoliert dabei umso mehr von der Umwelt. Knapp entkomme ich dem aufkommenden Schneefall, und rette mich ins grosse, alte Gebäude. Dort ist man nicht mehr allein.

 

Die Entität, die es an diesem Abend schafft, aus Individuen ein Publikum zu machen sind KiKu, Blixa Bargeld, und Black Cracker. Sie präsentieren vorwiegend Songs aus ihrem neuen Album «Eng, Düster und Bang». Die Texte basieren auf «Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei» des deutschen Schrifstellers Jean Paul. Eine Albtraumszene über die Nichtexistenz Gottes.

 

KiKu ist ein Projekt der Westschweizer Yannick Barman (trumpet, computer) und Cyril Regamey (percussion). Gemeinsam mit David Doyon (g) sind sie an diesem Abend für die musikalische Decke zuständig, welche die Zuhörerschaft einwickelt. Barman lässt seine Trompete kreischen, Regamey spielt sein Schlagzeug, als ob es eine Kriegstrommel wäre, und Doyon krümmt sich um seine Gitarre, als sei sie ein Teil seines Körpers.

 

BlackCracker

Dann steht plötzlich Black Cracker auf der Bühne. Mit einer Mischung aus Spoken-Word-Performance und Rap herrscht er über die Aufmerksamkeit im Raum. Blicke kleben an ihm. Er spricht seine Worte mit einer Intensität, die fasziniert. Mit aufgerissenen Augen starrt er in die Menge vor ihm, sein Körper angespannt. «For just a moment, forget who you are», spricht er uns ruhig zu.

 

Den zweiten vokalen Beitrag leistet Blixa Bargeld, bekannt als Gründer der Industrialband Einstürzende Neubauten, oder auch als ehemaliges Mitglied von Nick Cave and the Bad Seeds. Locker steht er im schwarzen Anzug auf der Bühne, mal erzählend, mal singend und mal kreischend. In einer Frequenz, die bei einem Mann seiner Statur überrascht. Seine Worte wirken hypnotisch, düster, regen zum Nachdenken an.

 

Es sind schwere Texte, die die beiden Vokalisten dem Publikum aufbürden. Es geht um Religion, Glaube, Politik, Tod, Rassismus und Drohnen. Düster, aber so gut, dass man dennoch grinst.

Irgendwie hat man das Gefühl, dass das Ganze nicht so gut funktionieren sollte, dass diese fünf Musiker auf der Bühne nicht gut zusammenpassen. Aber sie tun es. Zusammen ergeben sie eine Symbiose, die es vermag, sich in die Köpfe, Herzen und Glieder der Anwesenden zu bohren.

 

BlixaBargeld

Momente der Ruhe, der Kontemplation werden unerwartet abgelöst von harten Beats, treibenden Gitarrenriffs, einem augenscheinlich besessenen Trompetenspiel. Das Publikum tanzt. Die Musiker tanzen. Tanzen sich in einen Wahn. Gegenseitig wischen sie sich den Schweiss vom Gesicht, steigern sich immer weiter. Das Publikum lässt sich fraglos mitreissen. Die Fragen, die einem zuvor vielleicht noch im Kopf herum geschwirrt sind, verschwinden. Irgendwie fühlt es sich fast so an, als ob man zum Weltende tanzen würde.