Treihauseffekt: Back To The Future

Treibhaus Luzern, 17.09.2016: Ende September und die Festivalsaison ist langsam aber sicher zu Ende. Zum Abschluss lässt sich auch das Treibhaus nicht lumpen und macht den Treibhauseffekt zum Festival. Drei Tage lang Filme, Musik, Theater und Bobby-Car-Rennen.

Der erste Tag des Festivals stand ganz im Zeichen des «Dudes». Es wurde zum Cinemangiare mit The Big Lebowski geladen und gab allen, die den Film schon gesehen haben, die Möglichkeit, ihn noch mal zu sehen und sich in die Bademäntel zu schmeissen und allen, die ihn noch nie gesehen haben die Chance, ihn endlich mal zu sehen, und das erst noch in wundschöner Atmosphäre. An dieser Stelle wird hier nichts über den Film erzählt, denn wer diesen Klassiker der Filmgeschichte noch nie gesehen hat, sollte sich nicht von einem mittelmässigen Rezensionen-Schreiber beeinflussen lassen, sondern sich ganz schnell ein eigens Bild davon machen. Neuer Tag, neues Treibhaus. Es war Freitag und die erste Runde Bobby Car Rennen schon vorbei, als Dani Korber die Startrampe betrat. Mit Gitarre in der Hand und dem Schalk im Nacken war er ein grossartiger Auftakt für das Festival. Intelligente und zugleich humoristische Texte mit lüpfigen Melodien zauberten Schmunzler auf die Gesichter und veranlassten Hände, sich frenetisch aneinander zu schlagen. Nachdem er der Treibhaus Beiz seine Telefonnummer durchgegeben hatte, damit man ihn mal buchen könnte, hinterliess er ein gut unterhaltenes Publikum, das bereit war für weitere musikalische Darbietungen.

yeyey

Auf diese musste man auch nicht allzu lange warten, denn nach einer kurzen Pause war Ben Shepard alias YEYEY bereit auf der Bühne. Da man im Treibhaus selten mit rechtzeitigem Start der Konzerte rechnet, musste die Tatsache, dass der Gig anfangen würde, kurz draussen ausgerufen werden. So wirklich viele Zuschauer gab es dadurch zwar nicht, die wussten aber auch nicht, was sie gerade verpassten. An einem Tischchen mit Synthies und MacBook sitzend, Kopfhörer tragend und mit Gitarre ausgerüstet war YEYEY eher unscheinbar. Passender hätte dies aber nicht sein können. Auf der Leinwand hinter ihm liefen hypnotisierende Visuals, die oftmals an Cartoons der 90er erinnerten. Was auch bestens zur Beschreibung seiner Musik passt. Er nennt sie «Nostalgic Psych Pop» und Nostalgie war definitiv in seiner Stimme zu hören. Seine Gitarre war hallig, die Synthies waren «psychic» und man konnte die Augen einfach nicht von den perfekt passenden, bewegten Bilder im Hintergrund abwenden. Einige Thank you’s, die zwischen das exakt getimte Set hineinpassten und noch eins zum Abschluss, um dann sang und klanglos von der Bühne zu gehen. Der Samstag bot nochmals Musik und diesmal auch Theater. Noch bevor die Konzerte anfingen, schien sich ein Pärchen lautstark die Meinung zu geigen. Schnell merkte man dann an der theatralischen Art und Weise wie gestritten wurde, dass dies wohl das angepriesene Pop Up Theater war. Die Idee dahinter war, dass Songtexte von bekannten Liedern auf Hochdeutsch übersetzt werden und so die Absurdität vieler dieser Texte darzustellen. Diese Darbietung wiederholte sich immer mal wieder und es war nicht immer einfach, den Song zu erraten. Auch war nach der anfänglichen Konfusion die Begeisterung über diese kurzen Intermezzos äusserst gross.

tunica_dartos

Musikalisch gab es auch einiger Leckerbissen. Ganz am Anfang gaben sich Tunica Dartos die Ehre. Die Begeisterung war gross, was für eine rein instrumentelle Band einigermassen speziell war. Eine Mischung aus einfachen Powerchords und gezupften Zwischenteilen, Rhythmuswechsel und Ausflipper, es war alles ein bisschen vertreten. Vorne auf der Bühne wurden hin und wieder der Bass und die Gitarre getauscht und auch auf elektronische Keyboard Klänge wurde nicht verzichtet. Für das Trio Tunica Dartos war das der letzte Auftritt in dieser Formation und es war ein der 12-jährigen Bestehungsgeschichte würdiges Konzert. Als nächstes wurde der Aktionsraum mit einem Schwall Weihrauch eingenebelt. Lord Kesseli & The Drums bestiegen die Treibhaus-Kanzel, die mit Grabkerzen und Räucherstäbchen verziert worden war. Weiss im Gesicht, licht im Haar und ganz in Weiss gekleidet stand Lord Kesseli mit seiner Gitarre da. Im krassen Gegenteil dazu sass The Drums ganz in Schwarz und mit langen Dreadlocks am Schlagzeug. Schon fast unheimlich sphärisch waren die Songs von den beiden. Langsame Beats, schreiende Gitarren und schallende Snares zusammen mit einer Stimme, die eine gewisse Wut, manchmal flüsternd und manchmal schreiend raus liess. Hall und Delay waren die besten Freunde der beiden, was sogar einen Huster des Lords so klingen liess, als würde er zum Song dazu gehören.

batman

Bevor dann die Zeit der DJ-Sets angebrochen war, konnte Batman sich noch im immer noch nach Weihrauch riechenden Aktionsraum seine Gitarre umschnallen. Eine Prise 80er-Vocals mit einer Messerspitze Elektropop und einen halben Teelöffel Gitarre, das war das musikalische Rezept dieses Künstlers. Performancetechnisch ging es vor allem um Ganzkörperverrenkungen. Er verlor sich völlig in seiner Musik und riss auch das Publikum in die Welt der Tiefen Stimmen, der schnellen Beats und der lauten Bässen. Zwischen den Songs wurde gescherzt und nachdem der selbsternannte Ferrari-Boy von der Bühne gegangen war, ging es fliessend über zu den Turntabels, wo die tatsächlichen Ferrari-Boys ihr Set starteten. Das Treibhauseffekt Festival war nicht nur in musikalischer Hinsicht ein voller Erfolg, auch die Anzahl Besucher sollte zu einer positiven Bilanz der Veranstalter führen. Es war eine musikalische Reise in die Vergangenheit, in die 80er, 90er und in die Anfänge des zweiten Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Und auch mit Bobby Cars fühlte man sich in seine Jugend zurückversetzt. Tanzbar, unterhaltsam, unerwartet und definitiv mehr Wert als zehn Franken Eintrittsgeld.