Trash and Roses. Oder: Von der Kunst, die Kunst als besseres Leben zu leben

Urs Lüthi, einer, der in die Weiten des Kunstfelds auszog, um seinen Doppelgänger zu erfinden: 1947 in Kriens geboren, dem Las Vegas der Zentralschweiz, gehört er heute zu den grössten Grössen, zu den exzellenten Hotspots der Internationalen Kunst. In der Einzelschau «Urs Lüthi – Art is the better life» (that's true!) wird sein Schaffen im Kunstmuseum Luzern gesamtschweizerisch zum ersten Mal in unbändiger Dichte gewürdigt. 

Text von Andrea Portmann, Bilder und Geräusche von Kevin Graber

Vernissagegeräusche hier hören: luthisound

 

Zahlreich sind die Leut erschienen an der gestrigen Vernissage: Geladene Gäste, Freunde Urs Lüthis from all over the world, die später als VIPs auf der Terrasse im Beisein der auratischen Präsenz des Künstlers noch Risotto essen durften, und die kulturell Interessierten oder selber künstlerisch tätigen Nachbarn von nebenan, mit denen man nicht auf der Terrasse, aber einen Stock tiefer bei Sprinz und Erdnüssli zu Weiss- oder Rotwein, Orangenjus oder Mineral auf das Leben, seine Freuden und Tücken, auf Urs Lüthi uns seine phänomenale Kunst geprostet hat.  Auch the artist himself – und nicht etwa einer seiner hyperrealen Doppelgänger (by the way, Andy Dandy Warhol pflegte jeweils an seine Vernissagen lebendige Doubles zu schicken - ist mir jetzt nur so eingefallen) – lauschte im Beisein seiner Lebenspartnerin, der Schauspielerin Ulrike Willenbacher, der interessanten und lichten, aber etwas steif vorgetragenen Vernissagenrede von Christoph Lichtin und empfing danach aus dessen Hand einen grossen Rosenstrauss – wohlgewählt und bedeutungsschwanger vgl. Trash and Roses aus der Serie Art is the better life, 2002.

Urs Lüthi ist ein flotter Kerl, einer, dem man gerne zuschaut, wie er sich als dandyhafter Jüngling mit Phallusmützchen auf einem Sofa räkelt Selbstportrait mit Mützchen, 1970, uns mit triefend-melancholischem Blick und glasglockenklarer Träne anblickt in einer sexy Schlangenlädderjack Lüthi weint auch für sie, 1970, wie er in zwanzigfacher serieller Ausführung als Numbergirl 1973 Fotos seiner selbst (Bild im Bild!) präsentiert und dazu Grimassen schneidet, wie er als hyperreale Figur mit einer Axt eine Möbelinventur zusammenschlägt, sich, wie alle fanatischen Sportfans gymnastisch betätigt, indem er, gemütlich im Sand liegend eine kleine Kugel fallen lässt low action games, Art for a better Life aus der Serie Placebos and Surrogates 1998.

Wir alle können Urs Lüthi im Kunstmuseum Luzern auf rund 40 Jahren eindrücklichen, leiblichen Investigaturen begleiten – vom jungen, femininen, geschminkten, langhaarigen, schlanken Jüngling zum rundlich-kleinen, mehrbeinigen und -armigen glatzköpfigen, älteren Herrn Spazio Umano III aus der Serie Art is the better life, 2007. Lüthi erfindet seinen Doppelgänger immer wieder neu – dadurch, dass er in all seinen Arbeiten präsent ist, finden wir den direkten Zugang zu seinen Arbeiten und schliesslich, durch die grossen und kleinen Gefühle, die er uns in einer unerschöpflichen Formenvielfalt präsentiert –  auch zu uns selbst.

Man spürt, dass in dieser Ausstellung alles bis ins letzte Detail arrangiert ist, kein Wunder, hat doch Lüthi selbst in enger Zusammenarbeit mit dem Kurator Christoph Lichtin diese Bühne des Lebens, dieses aus dem vollen Künstlerfundus schöpfende Environment eingefädelt. Nichts scheint dem Zufall überlassen, und doch fällt einem alles in einer erfrischenden Frische, einer entwaffnenden Direktheit zu, es entfaltet sich ein munteres Verweisspiel zwischen den einzelnen Exponaten: In einigen Räumen trifft man auf einen kleinen Bronzelüthi auf hohem Sockel, der sein jünglingshaftes Schwarz-weiss-Abbild an der Wand begutachtet. Auch Trouvaillen gibt es zu entdecken, beispielsweise die ganz frühen, noch vor den legendären s/w-Selbstportraits entstandenen von der Pop-Art inspirierten Acrylbilder auf Holz.

Da bleibt mir nur noch zu sagen: Urs Lüthi ist schlicht und einfach – grandios. Einfach-grandios: das Ambivalente ist Urs Lüthis Steckenpferd. Das Simple, Triviale, Trashige, der Abfall, der Schrott kommt in seinen Arbeiten gleichwertig neben dem Grossen, Erhabenen, Wertvollen, den Rosen und grossen Gefühlen vor, nähert so vermeintlich gegensätzliche Pole in immer wieder neuen Medien einander an und eröffnet in unserem ach so beliebten Schwarz-weiss-Muster, unserem Denken in Gegensätzen die Möglichkeiten eines Zustands zwischen bzw. jenseits des Entweder-Oder.

Eines meiner persönlichen Lieblingswerke ist eine Skulptur, die aus unzähligen gestapelten Frisbées besteht: Auf diesen sind einzelne, tiefschürfende, zur Nachahmung empfohlene Sinnsprüche zu finden, hier einige davon:

Act for one hour like your opposite sex

Go to public places and imagine yourself being an alien

Live slowly

Sit by the seaside and feel like being a wave

Urs Lüthi «Art is the better life»: Noch bis 15. Mai 2009 im Kunstmuseum Luzern