There Are A Million Ways To Die

Dieser Abend war einer davon. Ane Brun zusammen mit Nina Kinert und Joan Seiler spielten dem Publikum schön was vor. Gibt es nun die versprochenen, besungenen, wunderbaren Welten, oder nicht? Das Südpol-Publikum liess sich vollkommen auf diese Kunst ein und wurde mit einer kleinen Überraschung belohnt. Aus Skandinavien zurück:

(Von Nina Laky)

Bevor sich das Publikum von der momentan erfolgreichsten Folk-Musikerin in den Himmel leiten liess, wurde es zuerst mal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Hier, zwischen Pilatus und Rigi (die Königin der Berge übrigens), schlummern noch gänzlich unerforschte Talente. Sie wird wohl nicht die Einzige sein, aber sie stand gestern auf der Südpolbühne und überraschte ein sichtlich erstauntes Publikum. Joan Seiler, 20 Jahre alt, zusammen mit Magdalena am Cello, ebenfalls knapp zwei Jahrzente jung, eröffneten den Abend und hatten plötzlich zirka 200 Zuhörer. Leicht verwirrend, wenn zugleich der heftige Herzschlag die beiden noch mehr zu motivierten schien. Die Musik in sich sehr speziell, weg vom einfachem Singer/Songwritertum, hin zum Mut, zur Atonalität. Das Gitarrenspiel erinnert stark an jenes von Ani DiFranco – auch was vom Stimmlichen, des Gesichts der US-amerikanischen New-Folk-Kultur hat sich Joan Seiler abgeschnitten. Kräftiges Picking, Schlagen, Zupfen und dann wieder sanft Streicheln. Das Cello, die einzig richtige Begleitung für die dunklen Sphären, die sich öffneten. Das alles machten den Auftritt zu einem Aha-Erlebnis und liess ein paar Münder offen stehen. 01-fulfilled-with-some-love Joan Seiler «Fullfilled With Some Love» Nach dem Opener begab man sich im Kollektiv nach draussen, das Rauchen war in der Halle verboten. Der Respekt vor diesen Stimmen liess alle richtig handeln. Als nächstes begrüsste uns eine sichtlich gut gelaunte und mit viel amerikanischem Witz ausgestattete Nina Kinert. Die Dame ist 26, kommt aus Stockholm, Schweden, und hat nette Federn um die Augen (die von Weitem, also meiner Sicht, zuerst aussahen wie eine Brille), ein Tuch um den Kopf und Zöpfe in den Haaren. Zusammen mit ihrer Assistentin Linnea Olsson am Cello startete sie ein erfrischendes Konzert, indem an einem Singer/Songwriter-Abend sogar elektronische Beats und Samples verwendet wurden. Nina Kinert liess das Publikum lachen, mitwippen und sogar mitmachen. Die Dame ist, wenn sie nicht mit Ane Brun tourt, nämlich mit Schlagzeug unterwegs. Somit durften die Zuhörer und Zuhörerinnen endlich agieren und stampften und klatschten den Takt. Nina Kinert gehört auf die Bühne, sie mag den Mittelpunkt, sie kann wunderbar singen und dazu noch lustig sein. Dabei streichelte sie ihr Piano hin und wieder zärtlich schüttelte einen Fächer und sang Lieder, die wir alle verstanden. Musikalisch war es sicherlich kein Höhepunkt, aber ein gutes, auflockerndes Konzert allemal.

Nina Kinert

Im Verlaufe des gestrigen Nachmittags erhielt ich die Nachricht, dass dieser Abend im Südpol in Konzertbesucherkreisen zum Damenabend deklariert worden war. Die Männer würden diesen Abend in das zentrale Treibhaus gehen, um dort Männermusik von Passe Montagnes und Joileah zu hören. Diese Vermutung bestätigte sich nicht ganz, das Publikum, welches gleich fünf talentierte, schöne Frauen zu Gesicht bekam, war sehr angenehm durchmischt. Männlein und Weiblein freuten sich gemeinsam auf eine Nacht der Singer/Songwriterinnen, wer mit Freund oder Freundin dort war, konnte eine gewisse Romantik schwer leugnen. Der Übergang des Konzerts von Nina Kinert zu Ane Brun war fliessend (so konnte sich das Publikum nur schlecht dem Ungesunden hergeben, geschickt eingefädelt!), Schweden begrüsste nämlich Norwegen mit dem Satz «Let me introduce to you a beautiful fairy!». Und dann kam sie, die norwegische Fee, ganz in schwarz gekleidet. Der Gegensatz des Abends wurde weitergezogen, das Publikum schwankte ständig zwischen Depression und Hoffnung, Tod und Leben, Zerstörung und Aufbau. Ane Brun, 33 Jahre alt, kam auf die Bühne mit einer grossen Hand voll Songs. Sechs Alben hat sie mittlerweile veröffentlicht, im Jahr 2008 gar zwei («Sketches» und «Changing Of The Seasons»). Nachdem man den ganzen Abend dachte, die Konzerte könnten ein wenig anstrengend werden, drei Musikerinnen hintereinander, wurde man eines Besseren belehrt. Ane Brun holte nach dem ersten Song ihre beiden Tourkolleginnen Nina Kinert und Linnea Olsson wieder auf die Bühne. Was nun folgte, war ein stimmliches Freundenfest. Im Chor oder als Backroundsängerinnen zusammen mit der Fee tönten die Songs voll, wenn nicht sogar vollkommen. Die Begleitungen zu Ane Bruns Stimme machten sehr viel aus oder weg, im Ganzen war der Klang dieser drei unterschiedlichen Stimmen so stimmig (was für ein treffendees Wort!), dass man gespannt jedem einzelnen Ton lauschen wollte. Die Wechsel der Gitarren zeigten, was Ane Brun selber für Ansprüche an sich stellt. Zudem müssen die Hände immer trocken sein, und es ist auch eher ungeschickt, wenn man sich während eines Liedes auf die Zunge beisst, aber dies weiss sie nun seit gestern. Lieder wie «The Threehouse Song» oder «My Lover Will Go» sprachen einem aus dem Herzen, sei es nun gebrochen oder noch ganz. Ane Brunes Bühnenerfahrung (sie ist nun seit knapp drei Jahren auf Tour!) und die Soundqualität im Raum machten aus einem Singer/Songwriterkonzert viel mehr. Ein Zauberfahrt in Welten, die es nicht gibt, oder eben doch! Aber man wird sie nie erreichen, sie werden nie bleiben. Schlussendlich wurde neben den drei schon auf der Bühne stehenden Feen noch eine vierte hinzugeholt. Gebannt hörte das Publikum der Ansage zu, und bis am Ende hatte man keine blasse Ahnung, wer als Ehrengast zu einem Lied mit Ane Brun aufstehen durfte. Doch als der Name fiel, fiel es einem wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Perfekter ins Bild gepasst hätte niemand, die Fee aus Dagmarsellen: Heidi Happy. Mit Zettel in der Hand sprang sie auf die Bühne. Was sich nun ergab, waren vier wunderschöne Stimmen auf einem Fleck. Das Lied «Rubber and Soul» wurde neu erweckt durch summenden Schweizer Charme. 03-rubber-soul-teitur-1 Ane Bruns «Rubber and Soul» hier zusammen mit Teitur Der Südpol hatte nicht zu viel versprochen, es war ein langer Abend der Singer/Songwriterinnen. Die Konzerte endeten, als der letzte Bus bereits wieder Richtung Realität verschwand. Die Zugaben der Ane Brun habe ich nicht mitbekommen, der Drang nach Luft und Raum wurde grösser, als der nach Liebe in musikalischer Form. Doch die Frage bleibt: Haben die Damen diese Welten, Situationen, die sie alle besingen und ehren, erlebt? Hat Ane Brun tatsächlich, wie sie zu Beginn behauptete, Freundschaft geschlossen mit ihren ehemaligen Partner? Ob wahr oder unwahr, erfunden oder erlebt, es waren schöne Landschaften die gestern alle drei Künstlerinnen zeichneten. Ein kleiner Tod fürwahr, und was für ein schöner.