Symbiotische Zerrissenheit

Neubad, Luzern, 15.11.2019: Mit «Acedia» präsentierte die Badener Band One Sentence. Supervisor im Neubad ihr drittes Album. Mit symbiotischen Energien, Krautpop und Shoegaze überzeugt das neu zusammengestellte Fünfergespann mit ihrer Energie – trotz mässiger Akustik.

Überdruss, Zweifel, Erschlaffung der Seele, geistige Trägheit, innere Zerrissenheit: In unserer modernen Welt sind das nur allzu prävalente Erscheinungen. Komplexe Probleme ohne klare Lösungen führen zu einem steten Hin und Her, einem trägen Trott ohne Ziel. Doch gelähmt zu sein vom Paradox der eigenen Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse ist keineswegs ein neues Phänomen. Im Mittelalter entstand hierfür der Begriff «Acedia». Und dieses Konzept ist der Titelgeber des neuen Albums von One Sentence. Supervisor.

Nach «This Heavy Sea» und «Temporär Musik 1-13» und darauffolgende extensive Touren quer durch Europa bis in die Mongolei ist «Acedia» das dritte Album der Badener Band. Von den ursprünglich vier Gründungsmitgliedern von One Sentence. Supervisor sind noch drei dabei: Donat Kaufmann (voc, g), Jonas Oster (g) und Andreas Hefti (b). Mit dem dritten Album nahm die Band auch Personalveränderungen vor: Am Schlagzeug sitzt neu die Zürcher Multi-Instrumentalistin Sarah Palin. Der Oud-Spieler Bahur Ghazi (die Oud ist eine arabische Laute), der während der letzten Tour einige Male unterstützend mitspielte, ist zu einem festen Bestandteil der Band geworden und erweitert damit die Gruppe von vier auf fünf Mitglieder.

Diesem Quintett merkt man die neue Energie richtig an. Genauer gesagt fühlt es sich im Neubad-Keller nach einer Symbiose fünf verschiedener Energien an. Kaufmann tanzt und zappelt unkontrolliert, Oster steht entspannt lächelnd mit seiner Gitarre da, Hefti hockt mit seinem Bass unter dem Sonnenschirm und spielt, Palin schlägt wie besessen auf ihr Schlagzeug ein, Ghazi ist völlig eins mit seiner Oud. Die einzelnen Teile der Band wirken wie ein Symbol der inneren Zerrissenheit, die Thema des Albums ist. Aber im Gegensatz zu «Acedia» ist hier überhaupt nichts von Trägheit zu spüren. Leider stimmt die Akustik vor allem zu Beginn des Konzerts nicht. Sie wird der Fülle nicht gerecht, die diese Band erschaffen könnte. Es klingt alles ein wenig zu flach. Ab der zweiten Hälfte ist das korrigiert, das Publikum ergibt sich vollends der alles einnehmenden Musik.

OneSentenceSupervisor

Ein manisch treibendes Schlagzeug, das die Stücke zusammenhält. Ein dumpfer, drückender, beissender Bass, der die Beine zittern lässt. Gitarren, die voller Effekte, Echos und Flanger sphärische Klangdecken erzeugen. Eine Oud, die dem Ganzen eine einzigartige Note gibt und viel mehr ist, als blosser Zusatz; sie ist ein integraler Bestandteil des Sounds von One Sentence. Supervisor geworden. Und über all dem Kaufmanns Gesang, der sich sehnend über die Melodien zieht und dabei riesige Dimensionen suggeriert. Man fühlt sich immer wieder in kosmische Weiten geworfen, wo diese Musik, wie ein Sonnensturm, an einem vorbeizieht. Krautpop und Shoegaze, wie es sich gehört. Ausschweifend, hypnotisch, treibend, mit einer Prise Sehnsucht und existenzieller Furcht.

 

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