Summen mit Matana Roberts

Musikalisch hat die amerikanische Saxophonistin Matana Roberts mit ihrem Solo-Auftritt im Mullbau die Erwartungen untertroffen. Mit ihrer vitalen und ungezwungenen Performance hat sie trotzdem für einen schönen Abend gesorgt. Es war eine Koproduktion von Mullbau und Musik-Forum.

Sie ist eine tolle Erscheinung: Afroamerikanerin, schöne Frau, strahlendes Lächeln, Rastafrisur, langer roter Rock. Wie sie auftritt, selbstbewusst den Bühnenraum einnimmt, sofort zu erzählen und zu plaudern beginnt und, you know, einfach so locker und ungezwungen drauflos reden und machen kann, das ist - hoppla Klischee – halt schon ziemlich amerikanisch. Eine kleine Portion davon würde den Musikern hiesiger Breitengrade nicht schaden, wo immer alles so tierisch ernst oder lässig-cool sein muss, damit man sich angekommen fühlt.

Coin Coin Es war im Mullbau schon nach zwei Minuten klar: Matana Roberts ist eine sympathische und quirlige Entertainerin. Aber würde sie auch als Musikerin überzeugen? Die Frau hat letztes Jahr mit „Coin Coin“ ein hervorragendes und in Jazzkreisen weltweit gefeiertes Album realisiert, dem im Sommer 2013 der zweite Teil folgen soll. Matana Roberts arbeitet darin die Geschichte ihrer Vorfahren auf. „Coin Coin“, das sich auf die Geschichte ihre weiblichen Ahnen fokussiert, klingt oft archaisch, wild und ungefiltert. Das ist nackter Blues, der mit Free Jazz und Gospel aufgeladen wird. Als Solistin brachte Roberts diese Emotionen ohne den Schwulst und die Variationskraft einer grösseren Band über die Bühne. Das kam recht karg und insistierend und wurde mit repetitiven Linien unterlegt. Leider koppelte Matana Roberts im ersten Teil des Konzertes ihr Saxophon mit Elektronik. Sie probierte verschiedene Halleffekte durch, so dass es schien, als würde sie zu einer zweiten fernen Saxophonspur spielen. Es war nicht sehr originell und wirkte eher störend und einschränkend. Sie hätte sich besser auf ihren nackten Saxophonsound besonnen, die Phrasierung und den Space, und der Funke wäre gesprungen.

Summ-Workshop Die Performerin war letztlich viel zu kommunikativ, um der Musik ihr Geheimnis zu lassen. Als sie begann, das Publikum zum Mitsummen und Mitsingen einzuspannen, brachte das eine andachtsvolle Note und tat vorweihnächtlich gut, aber es machte die Musik nicht dringlicher. Dann rückte für eine halbe Stunde das berührende Lied „Bid ‘em In“ in den Mittelpunkt: Der Mullbau-Publikums-Humm gewann an Zutrauen und gab einen langwährenden Bass, über dem Roberts mit ihrem Saxophon und ihren schlichten Gesängen variierte. Es war wie ein herzhafter Workshop, und die Leiterin klopfte dem Publikum dauernd auf die Schulter und sagte, wie grossartig es singe, yeah, really. Im Hintergrund liefen Videoprojektionen, auf denen alte Fotografien von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern und Eisenbahngleise zu sehen waren. Die grosse Migration.

Frenetisch und lange Roberts hat einen vollen sonoren Sound auf dem Altsaxophon, sie bläst eindringliche Skalen, sie spielt kraftvoll und melodisch und kann auch singen und poetisch texten. Alles Qualitäten, die an diesem Abend zwischen Animation und Kontemplation zuwenig ausgespielt wurden oder rüber kamen. Es war auch eine gewisse Fahrigkeit spürbar. Matana Roberts probierte aus, machte eine Art öffentliche Probe. Es entwickelte sich keine Tiefenschärfe. Die Patterns glichen sich, ebenso die Tonarten, das Spektrum ihres Ausdrucks war eng. So blieb das ganze Set am Ende musikalisch etwas harmlos. Es war trotzdem ein guter Abend. Das Publikum klatschte frenetisch und lange. Immerhin.