The Subway is not the Underground

Ado hauen ihre Hardcore-Jams aus dem Probelokal, Field Studies putzen die Zähne mit Wave-Pop im Rachen des Kellers. Massenhaft Leute, die aufkreuzen und sich alle zu kennen scheinen. Es war die grosse Versammlung der Luzener Szene, ohne Traktanden und Manifeste.  Schlicht eine grossartige «Underground»-Party an der Industriestrasse. Freitag Nacht bis in den frühen Morgen.

KKL, Südpol und andere Leuchttürme des hiesigen Kulturlebens in Ehren, aber manchmal schlägt der Puls der Szene dort, wo es keine Kulturaganda vermutet. Dort schlägt er immer noch am intensivsten. Was immer auch die Szene sein mag, nie war oder werden würde: Sie war es an diesem Abend definitiv. Field Studies luden zur Release-Party ihrer neuen EP, die von Monavale marketingmässig meisterlich als Plastikbeutel mit Booklet und Zahnbürste veröffentlicht wird, inklusive Codes zum Downloaden. Die Kellerräumlichkeiten an der Industriestrasse 9 waren die perfekte Lokalität, um sich in old Lucerne mal wieder etwas heimisch zu fühlen. Eine sympathische Räuberraucherhöhle, voll gepfercht mit Leuten, es herrschte ein Kommen und Gehen, das Bier floss, lauter bekannte Gesichter quatschten sich voll oder grüssten sich aneinander vorbei. «Hätte jemand eine Bombe gezündet, die ganze Luzerner Musikszene und ihre Entourage wäre auf einen Schlag wegradiert worden», fasste der Mann mit dem schwarzen Hut anderntags beim Katerfrühstück am Nachmittag im Meridiani zusammen. Ado, sozusagen die Hausband dieser kreativen off-Szene, öffneten ihren Proberaum. Hereinspaziert in den Noise der Sound-Handwerker. Sie malträtierten ihre Instrumente mit Rauheit und Liebe. Es entstanden mächtige Soundströme aus Hardcore-Riffs, Punk-Spontaneitäten und kruden Psychedelia-Mäandern. Die Leute zirkulierten durch den Raum, in dem die vier Ados zwischen Kabeln, alten Roland-Synthesizern und sonstigen Sound-Gerätschaften verteilt waren und stoisch ihren kompromisslosen Waltz zum Dröhnen brachten. Man fühlte sich unwillkürlich an eine Textzeile von Country Joe McDonald erinnert: «The subway is not the underground». Fürwahr. Um Mitternacht traten Field Studies auf die Bühne. Wer visuell etwas mitbekam, stand in den ersten Reihen, die andern mussten sich auf die Ohren verlassen. Field Studies sind ein Trio mit dem ex-«Solitune» Gitarristen Padi Müller, dem «Les Yeux Sans Visage»-Sänger Remo Helfenstein und dem Schlagzeuger  Dominik Huber. Ihr Sound vereint den düster-kühlen Wave-Schweif der Achtziger Jahre mit kantig-minimalen Riffs und Post-Rock-Sphären. Trotz allem ist das gut verträgliche Popmusik, die in diesem Kellergewölbe naturgemäss mit viel Hall serviert wurde. Der grosse Remo mit dem gestreiften Shirt kniete und kauerte die ganze Zeit in Bodennähe, was eine feine Performance gab, einen eigenen Habitus, dem Pathos der Nostalgie gleichzeitig eine Spur Distanz und Intensität zu verleihen. Seelenvoll sein Gesang, dazu eine Band, die mit wenigen Griffen und repetitiven Mustern eine Stimmung hoch kochte. Man stand sich auf den Füssen, es war ein bisschen too much, aber dennoch zum Aushalten, die Stimmung kippte nicht in Bierzelt-Verhältnisse, draussen im Garten der Nacht wurden Kaffe Schnaps und Holdrios gebraut und Suppe ausgeschenkt. Aber leider hatte auch diese Party ihre Schattenseiten: Es wurde geklaut, Leute fanden ihre Tasche nicht wieder. Die Moral von der Geschichte: Auch in den Keller finden Wichte.