Marc Wermelinger (MW), Südpol: Wenn man auf 90er Ska steht, kann man Soul Station durchaus als gut durchgehen lassen. Neu oder innovativ ist das hingegen eher nicht. Dafür spielen sie mit dem Publikum wie die Grossen: Klatschen, Winken, sogar verdammte Feuerzeuge! Wieso der deutschsprachige Sänger hingegen das ganze Konzert hindurch Englisch sprach (und sich im Anschluss dafür entschuldigte), erschloss sich mir nicht. Mann, ich fühl mich wieder wie 16!
Carina Odermatt (CO), Senkel: Als um 20 Uhr The Rooted Amps zu spielen begannen, fiel gleich etwas Aussergewöhnliches auf: So ganz senkeluntypisch hielten sich fast keine Leute an der Bar auf. Für einmal war man hier zum Musikhören statt Chillen. Getanzt hat trotzdem niemand. Dafür hat's einem fast die Ohren rausgehauen, soooo laut war das Trio – vielleicht vor lauter Spielfreude?
MW: Mittlerweile hat mit Wease Band Nr. 2 auf der Bühne Platz genommen. Die beiden verströmen gleich einen rechten Jack Johnson-Vibe. Es wirkte einfach alles sehr monoton. Kennt ihr das Lied «Scar Tissue» von den Red Hot Chili Peppers? Ein bisschen so, einfach nur halb so gut. Und jetzt ein Cover von MGMTs «Kids»! Aber... Gefühle, wo seid ihr? Und zum Schluss einen Blues.
CO: Hier nun Ticket to Nowhere. Fast alles ist schwarz: Haare, Kleider Bühnenhintergrund. Passt zum harten Metalsound. Stoph Ruckli (SR): Und immer diese originellen Bandnamen. MW: Wenn ich ehrlich sein darf, würde ich mir momentan eher eine Metal Band wünschen als die Jack Johnson-Verschnitte hier. CO: Die Frontfrau singt, screamt, shoutet, growlt und mischt das mit Operngesang. Ziemlich krass! Und bei den Jungs drückt einer immer wieder ein Horrorlachen hervor. Plus Gitarre hinter dem Rücken! Was für eine Variation an Stimmen, Performances und Songs. Bisschen gruselig und mystisch. Zwar nicht mein Musikgeschmack, aber trotzdem ganz gut. Und im Publikum wird wie auf der Bühne fleissig geheadbangt. SR: Das erwartet Céline morgen den ganzen Abend im Kulturwerk 118.
MW: Als nächstes gibt's hier Höhrmann aus Hitzkirch. «Punk für Säufer» laut dem Ansager (der übrigens auch magische Tricks auf Lager hat). Man achte sich auf die GoPro-Kamera am Bass. Es ist nicht so, dass ich die Böhse Onkelz tatsächlich kennen würde, aber Deutsch Rock hinterlässt bei mir immer so das Gefühl, dass dessen Einflüsse von denen kommen. «Du magst es harzig, kalt und bitter»: Texte für die Ewigkeit. SR: Melone, Hosenträger, oben ohne - echt jetzt? MW: Realisation des Abends: «Ohne Seife werde ich nicht sauber». Das ist für mich heute so eine Abend brutale Zeitreise! Deutschrock, Ska, schlechte Texte, falsch gesungen. ABER: Man kann über Höhrmann sagen, was man will: «Seife» ist ein echter Ohrwurm. Die erste Reihe hat die Band jedenfalls sehr genossen: Headbangen, Mitsingen, das ganze Programm. Der Rest vom Saal... fand's nicht so toll.
CO: Blumenketten werden verteilt beim Song «Summertime» von Explosion Effect. Und das Publikum macht fleissig mit. «Summer» - «time»! SR: Die kenne ich! Die waren schon an der Sprungfeder im Treibhaus, als ich mal Jury war. CO: Der Gesang überzeugt nicht wirklich. Rockiger Schlager à la Andreas Gabalier, einfach auf Englisch. Zu «My Heart is Searching You» sind alle ganz begeistert am Klatschen - auch die Ü50er, völlig enthusiastisch. Irgendwie noch lustig. SR: Das ist eben noch richtige Musik! Von vier Jungs, die in 30 Jahren vom Büro oder ähnlich heimkommen, der Sohn oder die Tochter kommt – «Papa, ich will ne Gitarre» – und daraufhin jeder von ihnen in der Vaterrolle: «Lass mich dir zuerst erzählen, wie ich damals eine Karriere mit meiner Band hatte».
MW: Der Ansager hier ist nicht nur Magier, sondern auch Verführer! MW: Jetzt geht's auf der Südpol-Club-Bühne richtig ab. Two Blind Eyes nennt sich das Duo und Gitarrist/Sänger Thomas Seidmann schreit gleich am Anfang in die Ohrmuscheln des verbliebenen Publikums. Als Bassist muss ich mich natürlich kurz aufregen, dass es verdammt geil klingt, auch ohne Bass...
MW: Dieser Graben!! Unverständlich! Die zwei haben die Latte grad so unglaublich hoch angelegt. Ausgeklügelte Songs, Gitarren-Soli zum Niederknien, und das zu zweit! Unglaublich gut. Es kommt zwar noch eine Band, aber Two Blind Eyes sind bis jetzt eindeutig meine Favoriten.
CO: Im Senkel ist das Niveau auch wieder angestiegen. Band Nr. 4 sind The Schorchettes (wie spricht man das aus?). Die haben viele Fans, weil sie aus Nidwalden sind. Bis jetzt die ruhigste Band; «Feel Good Music». Eine Erholung für die Ohren.
MW: Den kennen wir doch. Kollege Seidmann dieses Mal solo auf der Bühne mit seinem Projekt Shoot The Satellite. Als ob man bei einer Verlosung teilnimmt; einmal mit seiner momentanen Adresse und einmal mit der von den Eltern. Er spielt mit Synthesizer und Gitarre. Weniger rockig, aber nicht minder groovig. SR: Rein von der Professionalität her sollte er eigentlich gewinnen. Laut Zentral+ ist sein eingereichter Song auch ein Favorit von Sprungfeder-Chef Marquito Müller. MW: Im Vergleich zu den anderen Formationen sind die Songs einfach «fertiger». Stücke, die man auch im Radio hören könnte. Wo die bisherigen Bands eine Jugendraum-Atmosphäre verströmten, hat er einfach eine gewisse Erwachsenheit an den Tag gelegt. Oh, apropos: Südpol-Frauenquote = 0.
CO: Die ist im Senkel gerade noch einmal gestiegen und hat in der letzten Band ebenfalls ordentlich überzeugt. Tension aus Zug mit einer ungemein energetischen und explosiven Sängerin. Selbst das Cover von «Fighter» war geil, obwohl ich den Song sonst nicht mag.
SR: Die grossen Überraschungen blieben schlussendlich aus. Es gewannen mit Shoot The Satellite & The Schorchettes die Favoriten aus Luzern und Nidwalden. Der Entscheid ging jeweils aus einer Kombination von Jury- und Publikumswertung hervor.