Spielend Griechenland retten

Kapnorth, Shady And The Vamp, A River Crossing: Am Freitagabend spielten gleich drei Bands im Sedel auf, um griechischen Politaktivisten unter die Arme zu greifen. Ein Solidaritätskonzert mit lauten und leisen Tönen.

Sedel, Freitag, 25. Mai 2012: Nein, ein Band-Aid, wie wir es von Bob Geldof kennen, war es wirklich nicht. Keine grossen Superstars mit gekünsteltem Helfersyndrom, keine moralintriefenden Reden und – leider! – auch keine Menschenmassen, die sich vor dem Eingang des Sedels stauten. Zu den besten Zeiten des Abends war das Lokal halb voll.  Doch das tat der Verve der drei Newcomer-Bands keinen Abbruch. Schliesslich war es für eine gute Sache. Inhaftierte in Not Keiner politischen Organisation, sondern persönlichem Engagement ist der Abend zu verdanken. Vor einigen Monaten machte sich Manu Hollinger, Radio 3-Fach-Techniker und Sedel-Mischer, ein Bild von den politischen Umwälzungen in Griechenland. Was er hörte und mit eigenen Augen sah, beschreibt er im persönlichen Gespräch als bestürzend: Unmässige Polizeigewalt an Demonstrationen, Zusammenarbeit der Ordnungskräfte mit rechtsradikalen Gruppierungen, Einschüchterungen und Übergriffe in Gefängnissen. Rechtsstaatliche Prinzipien wischt die Krise im Geburtsland der Demokratie schnell vom Tisch. Zur Unterstützung von inhaftierten Aktivisten wurde nun mit Gesang und Gitarren Geld gesammelt.

IHymnisches, Dreckiges…Ihr Name lässt an kalte Gefilde denken, doch Kapnorth, die erste Band des Abends, sorgt für emotionale, nicht temperaturbedingte Gänsehaut.  Das Quartett spielt energiegeladenen, zuweilen auch melancholisch gefärbten Rock – in bester hymnischer Tradition von Muse oder Radiohead. Und das, ohne epigonal zu klingen. Eine echte Entdeckung – da hätte mancher gerne eine Zugabe gehört.

Kalt lässt auch nicht Shady And The Vamp, obwohl sie etwas Zeit brauchen, um ihre Form zu finden. Der Garage-Punk, notabene vor und nicht auf der Bühne gespielt, ist um einige Dezibel lauter als die Musik der beiden anderen Bands, der Sound dreckig und manchmal an der Grenze zum – absichtlichen? – Dilettantismus. Mit den letzten Liedern, eines davon auf Italienisch, beweisen sie zum Glück nicht nur Laut-, sondern auch musikalische Stärke.

…und Verspieltes A River Crossing haben sich vom klassischen Rockschema gelöst, was nicht heisst, dass nicht auch sie zuweilen die Boxen dröhnen lassen. Nur kommen sie beinahe ohne Gesang aus und bauen ihre komplexen Arrangements auf ruhigen, verspielten Soundteppichen auf. Da lassen Postrock, Mathrock und nicht zuletzt die Band Three Trapped Tiger grüssen. Letztere bezeichnen A River Crossing offen als eine grosse Inspiration. Das Potenzial, mit dem Vorbild gleichzuziehen, ist vorhanden: Wenn sie elektronische Elemente, Samples und Synthesizer in ihre ausgeklügelten Kompositionen mischen, reissen sie das mittlerweile nicht mehr ganz nüchterne Publikum mit. Zum Ende besprechen die Organisatoren im Backstagebereich den Ertrag des Abends. Er ist höher, als erwartet. Das wird Griechenland zwar nicht retten, aber die Situation einiger Politaktivisten verbessern. Schliesslich, so Manu Hollinger, wird das nicht der letzte Solidaritätsanlass für Griechenland gewesen sein. Wir zählen darauf.