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Mit ihrem feinsinnigen Filmporträt «Das grosse Spiel Film» lüftet die Schweizer Autorenfilmerin Anka Schmid den Schleier des Vergessens, der sich über das Schaffen, Wirken und Leben der Künstlerin, Filmpionierin und -poetin Isa Hesse Rabinovitch (1917-2003) gelegt hat. Ein wichtiger Bestandteil dieses dokumentarischen Porträts bilden dabei längere Filmausschnitte aus Rabinovitch’s reichhaltigem filmischen Oeuvre, die einen in quere und poetische, zuweilen auch absurde, unheimliche und surreale Bildwelten eintauchen lassen.

(Von Andrea Portmann)

Bunte Häuserfassaden schillern in immer neuen Nuancen auf der Wasseroberfläche, fliessen ineinander, tänzeln rhythmisch zur eindringlichen Tonspur. Schön und fratzenhaft verzerrt zugleich. Ausschnitte aus «Spiegelei» (1969), dem ersten Kurzfilm von Isa Hesse Rabinovitch, ziehen sich leitmotivisch durch „das grosse Spiel Film“ und werden zur Metapher für Rabinovitchs spielerische Ästhetik aus Oberflächenphänomenen und tiefsinnig-satirischen Anspielungen, aus Magie und Realismus, erzeugt durch aufwendige Überblendungen. Während zahlreichen weiteren Filmeinspielungen kristallisieren sich immer wiederkehrende Stilmittel und Themen heraus: Spezielle Texturen, Formen und Deformationen, gängige, (männliche) Gesellschaftsmuster sowie deren Hinterfragung, Heterotopien, Ruinen («Geister und Gäste – in memoriam Grand Hotel Brisago», 1989), Orte ausserhalb der normierten Gesellschaft, Mythologisches, Historisches und Autobiografisches, der weibliche Körper, das Durchlässigwerden von Grenzziehungen zwischen dem Ich und dem Anderen.

Anka Schmid räumt dem Werk von Isa Hesse Rabinovitch viel Platz ein. Genau so wichtig war Schmid aber auch, die Biografie Rabinovitchs und den zeitgeschichtlichen Kontext in Form zahlreicher Archivmaterialien, beispielsweise Zitaten aus Tagebuchaufzeichnungen, Interviews mit Bekannten und Verwandten in das Porträt einzuflechten. Wichtige Inspirationen, nicht zuletzt auch für den Titel des Films, bezog Schmid aus der umfangreichen Monografie «Das grosse Spiel Film», an der Rabinovitch, sich zuweilen fast im Chaos verlierend, noch bis ins hohe Alter gearbeitet hat.

Isa Hesse Rabinovitch, Tochter eines jüdisch-russischen Künstlerpaares, 1917 geboren in Zürich, aufgewachsen im ersten Künstlerhaus Letten, Frau von Heiner Hesse (Sohn des Schriftstellers Hermann Hesse), fand als begabte Illustratorin und Grafikerin (1947 gestaltete sie einer der ersten Flugzettel für das Frauenstimmrecht, wir sollten noch rund 24 Jahre warten, bis wir durch die ach so holde Gunst der Männer zu unserem Wahlrecht kamen, ja, das muss man immer wieder betonen) autodidaktisch zum Medium der Fotografie, begann im Alter von 50 Jahren, zu filmen (Super8 und 16 mm) und begab sich zehn Jahre später nochmals auf neues Terrain, in die Videokunst.

In den 70er Jahren gestaltete sie die Frauenfilmbewegung aktiv mit, vernetzte sich mit zahlreichen anderen Filmerinnen, war an der Organisation des ersten Frauenfilmfestivals in New York (1972) und der Schweiz (1975) beteiligt, eröffnete in den 80er Jahren mit «Sireneneiland» das Kino des Museum of Modern Art in New York.

Weitgehend unbekannt blieb sie in der Schweiz. In den 70er-Jahren war die Filmbranche noch vorwiegend eine Männerdomäne, Frauen filmten lediglich vereinzelt und wenn, dann meistens gemeinsam mit ihren Partnern. Für selbstständige Filmerinnen, die unabhängig sein wollten, die andere, nicht Mainstream taugliche Themen und Ästhetiken erprobten, blieb in der Schweiz wenig Platz und Fördergeld. Offizielle finanzielle Unterstützung erhielt Isa Hesse Rabinovitch für ihre Filmprojekte oftmals keine. Dies mag mitunter auch daran liegen, dass sie keine Drehbücher schrieb, sondern für ihre Filmprojekte jeweils höchst eigenwillige, gezeichnete Text-Bild Montagen fertigte.

Als neckische und hintersinnige Antwort auf diese schweizerisch-männlichen Missstände lässt sich der 1,-minütige Film «Tell-Spott» (1973) lesen, den man im Anschluss an «Das grosse Spiel Film» zu sehen bekommt: eingefärbte Alpenlandschaft, Landeshymne, Tell und sein Sohn als Plastikfigürchen, ein grosser roter Apfel, ein Schuss und viele Würmer, die sich übereinander auf dem nun modrigen Apfel verlustieren.

Das grosse Spielfilm bis 26. Mai jeweils 19 Uhr im stattkino

Übrigens: vor dem eigentlichen Film bekommt man noch die experimentelle Videoarbeit «Hierig-Heutig» von Anka Schmid zu sehen: Ein urchiger Appenzeller Liebestanz begleitet von elektronischen Beats.