Sonne und Wolken

Schüür, 08.07.2015: Wettertechnische Ironie: Nach mehreren Tagen Hitzesommer erfolgte diesen Mittwoch der Temperatur-Sturz. Parallel dazu brachte der sudanesisch-britische Musiker Sinkane aber heisse Grooves und Melodien in die Schüür. Ein verwirrender Widerspruch? Höchstens für die Konzertabmischung.

Hatten da glatt Schüür-Chef Gisi und sein Verein Scheiss Sommer die Finger im Spiel? Der Temperatursturz um gefühlte 20 Grad nach der glühenden Hitze sorge sicher dafür, dass noch ein paar Zuhörer den Weg ins Konzerthaus fanden. Ideal, um Hitzeschlägen bei der Musik von Sinkane vorzubeugen. Dieser ist ein gebürtiger Anglo-Sudanese, welcher nach der Flucht seiner Familie (die Eltern waren beide Freiheitskämpfer und Hochschuldozenten) seine Heimat in New York fand – und nicht zuletzt in der Musik. Nach Tätigkeiten als Sessiondrummer für Caribou, Yeasayer oder Of Montreal widmete er sich der Kreation seines eigenen Sounds: eine krude Mischung zwischen Afro, Funk, Soul und Sudan-Pop. Ende März spielte Sinkane am m4music Festival, nun ging’s eine Stufe kleiner vor der Schüür-Bar im Erdgeschoss ans Werk. [youtube IVQ3saijXVU nolink] Ohne grosse Worte begann die sichtlich entspannte Band ihr Set. Der freie Tag im Vorfeld mit Schwimmen, Raclette-Pommes-Frites und Cheeseburger habe gut getan, wie der Frontmann während des späteren Verlaufs meinte. Dementsprechend spielfreudig zeigte sich seine Truppe; der Groove war da, die Lust am Tanzen ebenfalls. Manchmal gab es sogar wilde Jam-Ausbrüche mit an die 70er-Jahre angelehntem Gitarren-Rock der Marke Led Zeppelin. Das gefiel und machte Lust auf mehr. Wäre da nicht der Mix gewesen. Dieser fiel nämlich aus dem Rahmen. Bass-AMP und Bassdrum wummerten, die Solo-Gitarre kreischte stellenweise unerträglich laut und Stimme sowie Instrumente des Frontmannes gingen im Brei unter. Dessen erster Begrüssungsansage war lediglich das Wort «New York» zu entnehmen, der Rest ward nicht verstanden. Auch der eigene Positionswechsel im Raum änderte nicht viel an der Situation. In der zweiten Hälfte bekam der Techniker Sinkanes den grössten Teil der Probleme zwar in den Griff. Die Gitarre – egal, ob Lapsteel oder E-Gitarre – behielt ihren Lautstärke-Pegel jedoch. Ob da wohl jemand am Verstärker rumgeschraubt hatte?

Das ist insofern schade, weil die neu umgebaute Bühne im EG nicht mehr nur eine Sommer-Zwischenlösung ist, sondern ungemein schick daherkommt und eine tolle, neue Plattform bietet für  intimere Konzerte. Überdramatisch sollte die Situation jedoch nicht interpretiert werden: Mal abgesehen vom Sechssaiten-Problem bot Sinkane eine gute Show, die er nach seinem Hit «How We Be» um zwei Zugaben ergänzte. Wie unglaublich sympathisch der Musiker erschien, zeigte sich bei folgender Szene: Nach der ersten Zeile des Songs «Mean Love» riss er plötzlich die Augen auf,  brach das Stück ab und schlug die Hände vors Gesicht: «Oh my god, ich habe die Lyrics vergessen». Noch während er den Merchguy anwies, ihm die Zeilen aus dem Booklet vorzulesen, kamen sie ihm dann glücklicherweise wieder in den Sinn. Man kann es kaum anders beschreiben: Läck, war das eine süsse Aktion! Vielleicht lag’s ja doch an den Temperaturen. Dass diese in der Schüür noch weiter steigen werden, beweist das kommende Programm mit tollen Namen wie Reverend Beat-Man, Vsitor, Rotchopf und vielen anderen. Ein heisser Musik-Sommer ist also vorprogrammiert – was bestimmt auch dem Verein Scheiss Sommer gefallen wird.