Solid und erdig: Tobi Gmür

Am Mittwoch  fand in der Schüür die Plattentaufe von Tobi Gmürs erstem Solo-Album «Worldfamous In My Hometown» statt. Durch und durch ein rockiger Abend, aber wirklich Abgehen stand offensichtlich nicht auf dem Programm.

(Von Tiziana Bonetti)

Mittwoch, 6.6.2012, Schüür: Die Schüürhalle war spärlich besucht, als die Vorband Cheekbones ihr Hobbygaragenrockerkonzert begann. Das Erscheinungsbild der Musiker erinnerte ein bisschen an Green Day oder Billy Talent und ab und an klangen sie nach Good Charlotte. Leider wirkten die verzerrten Rockgitarrenriffs und die Billy-Talent-Attitüde aber etwas zu übertrieben, so dass man manchmal versucht war zu denken, es handelte sich um «Möchtegernhoseschisserrock». Neben einigen selbstgeschriebenen Songs spielten Cheekbones auch Covers. Der eingängigste Song ihres Auftritts war denn auch «Gonna Kick You Out» von The Caesars, den sie jedoch brachialer und kraftvoller interpretierten als das Original, was dem Song eindeutig zu Gute kam. Obwohl der Sänger nicht an jeder Stelle die Töne traf - vor allem wenn es bergauf ging -, überzeugte er mit ansprechenden Gitarrensoli, mit denen er sein musikalisches Können unter Beweis stellte. Von den Socken gehauen hat die musikalische Performance die Zuhörer aber leider nicht: Wie am Boden festgeschraubte Wachsfiguren eines Tussauds-Museums standen die Zuschauer da, und der Applaus erinnerte an tröpfelnden Nieselregen. Um halb elf war es dann soweit: Nach einigen Bieren und Zigaretten im Schüür-Garten begann endlich der spannungsgeladene Konzertanfang von Tobi Gmür and Crew. Sehr unauffällig schlich sich Tobi Gmür mit seiner Gitarre auf die Bühne und begann, wohlgemerkt ohne Vorankündigung, seiner elektrisch verstärkten Gitarre wundervolle Klänge zu entlocken, die die schon anwesenden Zuhörer berieselten und in seinen Bann zogen. Die verzerrten Gitarrenriffs berührten und Tobi Gmürs instrumentalem Part fehlte es weder an Virtuosität noch an Musikalität. Während sich die Halle langsam füllte, gesellten sich auch die anderen Bandmitglieder an ihre Plätze. Wirklich wortgewandt zeigte sich der Musiker dem Publikum gegenüber aber nicht. Eine kurze Ansage zu Beginn, die im Wesentlichen beinhielt «Danke fürs Kommen, obwohl ihr noch gar nicht wisst, wie die neuen Songs klingen», war alles, was Tobi über die Lippen brachte. Der fast schon zu bodenständige Luzerner war dem Publikum gegenüber eher distanziert, wenn dies auch nicht aus Absicht geschah. Im Allgemeinen war die Performance des Frontmanns fast ausschliesslich musikalischer Natur. «Tobi Gmür die Rampensau» wird wohl nie als Titel eines Artikels Verwendung finden, und über seine fast komplett fehlende Bühnenpräsenz wird man hinwegsehen, weil seine Musik einfach zu schön und an sich schon stimmungserzeugend ist. Die tragenden, sphärischem Klänge des eher ruhigeren Songs «I Call Her Melody» von Mothers Pride, Tobi Gmürs Urformation, erzeugten Ferienstimmung. Es war, als befände man sich gerade in einem Flieger Richtung Süden und betrachtete den wolkenverhangenen, azurblauen Himmel und zwischendurch lungerten scheue Sonnenstrahlen. Nach dem ruhigen, erdigen Song «Power Of Love» wurde im traditionellen Sinne Tobi Gmürs Platte «Worldfamous In My Hometown» getauft. Als Ehrengast wurde Beat Schlatter auf die Bühne gebeten, der den Korken knallen liess und den Champagner prompt nicht in die Gläser spritzte, sondern versehentlich auf einen unschuldigen Zuschauerkopf. Nach der kurzen, feierlichen Zeremonie wurde aber unverzüglich wieder weitergerockt und -gebluest. Tobi Gmürs Band überzeugte auf jeden Fall: Die Musiker punkteten durch ihr musikalisches Können und die Songs klangen überzeugend und nicht zuletzt, wie Tobi Gmür selber, bodenständig und erdig. An der Musikqualität gabs nichts zu husten: Aufgetischt wurde solider Rock. Schade nur, dass das Auge nicht mitass: Weder die Band noch das Publikum gingen wirklich ab, obwohl der Applaus wie ein Hagelsturm auf die Bühne niederprasselte. Die grösste Anzahl Hüftschwünge kassierte die Band aber sicher mit dem letzten Song vor der Zugabe: «You're Only Option For Tonight» krachte ein wie eine Bombe ein und provozierte so etwas wie eine Schwing-dein-Tanzbein-Stimmung im vollen Saal.