So schön kann gut inszenierter Kitsch sein

Südpol Luzern, 07.11.2015: Mit «Expedition Hollywood Classics: The Wedding Singer» starteten gestern Daniel Korber und Dominik Wolfinger in die erste Episode ihrer sechsteiligen Film-Zerreissprobe. Überprüft werden die Bilder, die uns Hollywood in den Kopf gesetzt hat, auf ihre Standhaftigkeit in der Realität. Ein bunter Abend voller Kitsch, Kreativität und – vor allem – Leidenschaft.

«Das ist kein Theater, ihr dürft jederzeit gehen», stellt Daniel Korber gleich am Anfang im Foyer klar. Nach einem unkonventionellen Beginn inklusive Popcorn-Verteilung geht es ab in den Theaterraum, wo Korber im Hochzeitskleid einen glanzvollen Gang zum Altar hinlegt. Der Startschuss für das kommende Feuerwerk an Unterhaltung ist gefallen. Sogleich erfährt das Publikum, wie die Expedition rund um das romantische Bild vom Heiraten vonstatten geht: Noch an diesem Abend soll sich ein Paar rituell verlinken, live vor Publikum. Uns werden Denise und zwei Männer vorgestellt, einen davon wird ihr Ja-Wort treffen. Um herauszufinden, wer die optimalste Wahl ist, kämpfen sich die beiden von Hochzeitsspielen zu Paartests und wieder zurück. «Verliebtheit passiert – und sie macht uns wahnsinnig», sagt Korber, worauf Whitney Houston aus den Boxen schnurrt. Um die Verbindung zu «The Wedding Singer» aufrechtzuerhalten, werden kurze Filmausschnitte gezeigt. Mit seinem analytischen Blick zerreisst Dominik Wolfinger die von Hollywood kreierten Luftschlösser gnadenlos und bildet somit den perfekten Gegenspieler zum Idealisten Daniel Korber. Stets mit dabei sind auch Naira Ramos als Assistentin und Savino Caruso, der den einmaligen Abend filmisch festhält. Nebst dem, dass sie selbst die hochstilisierten Prozeduren auf die Schippe nehmen und das Publikum dabei voll auf seine Kosten kommt, gibt es ernstere Gespräche mit einem Diakon und einer (Trennungs-)Mediatorin. Trotz spannender Diskussion um Rollenvorstellungen und Rituale verliert hier der Abend etwas an Fahrt. Es scheint, die beiden haben sich etwas gar viel vorgenommen, was sich nicht zuletzt in den zweieinhalb Stunden Spielzeit äusserte. Auf eher schwächere Stellen weist Korber jedoch gleich selber hin und vermag so das Publikum mit viel Humor und Echtheit zu überzeugen, auch mal ganz ohne Worte. Eine weitere Stärke des Stücks sind die sauber gesetzten Auf- und Abgänge, was in Anbetracht der Wucht, die sich auf der Bühne vollzieht, eine stolze Leistung ist. Was aber den Abend so besonders macht, ist die unverhohlene Authentizität, mit der die Darsteller dem Publikum gegenübertreten – selten ist man am Theater so nah dran. Die Darsteller geben sich viel Raum für Improvisationen und das macht das Erlebnis so unmittelbar. Ein Brautpaar gab es zwar am Ende des Abends nicht. Jedoch hat das Team rund um Daniel Korber und Dominik Wolfinger gezeigt, wie sehenswert gut inszenierter Kitsch sein kann. «Wir haben einfach versucht, auf eine ehrliche Art an diese Expedition heranzugehen», so ihre Schlussworte. Das haben sie eindeutig geschafft.

Die zweite «Expedition Hollywood Classics» untersucht den Film «One flew over the cuckoo’s nest» und ist am 5. Dezember im Südpol zu sehen.