So bloody dramatic

Bourbaki, 29.05.2015: Wenn dänische Amateur-Gangster einer Ballsuche in Bosnien-Herzegowina folgen und davor den beiden Hühnern «Boogaloo» und »Graham» das Leben gerettet wird, dann ist wieder Kurzfilmnacht-Tour in den Kinos Bourbaki und Stattkino angesagt!

Nach zwölf Jahren ihres Bestehens und bereits acht Gastauftritten in Luzern hat Swiss Films die Organisation der Kurzfilmnacht an die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur übergeben. Das Konzept blieb dasselbe und so wurde das Programm zum Ritual: Stattkino und Bourbaki zeigen seit jeher ihr Programm in drei Kategorien, wobei sich jeweils eine einzelne unterscheidet. Hat man sich für einen Saal entschieden, begibt sich der Zuschauer für geschlagene vier Stunden in die Welt der Kurzfilme. Als wichtige und fest integrierte Kategorie gelten die «Swiss Shorts», angeführt von einer regionalen Kurzfilmpremiere. Weiter zeigten beide Kinos skandinavische Kriminalfilme. Im Kino Bourbaki kamen eine Auswahl der oscarnominierten «Short Films» 2015 zum Zuge, das stattkino widmete sich dem Thema «The rhythm is gonna get you». «Swiss Shorts» «Beyond» von Antonia Meile wurde an diesem Abend uraufgeführt. Die Luzerner Filmemacherin hat zuerst über Skype, dann vor Ort, dem Leben zweier ehemaliger Schulfreunde nachgespürt. Sonja, auf der Suche nach Freiheit und Selbstfindung in Irland, Samuel im Auftrag der UNO im Grenzgebiet zwischen Syrien und Israel.

 

  • Michael Sutter hat für kulturteil.ch parallel einen Text über die Luzerner Filmpremiere von «Beyond» geschrieben und sich anschliessend kurz mit der Filmemacherin und den beiden Protagonisten unterhalten. LINK HIER
  • beyond - l

Die diesjährigen «Swiss Shorts» waren geprägt von kurzweiligen, aber durchaus kritischen Gesellschaftsbildern. Mujo verschiesst den Elfmeter, der Ball landet im benachbarten Friedhof. Am Grab auf der «anderen», muslimischen Seite des Friedhofs, begegnet er einer trauernden Frau. Kindliche Naivität trifft auf eine Ahnung der kriegerischen Vergangenheit. In seiner Knappheit und Einfachheit spricht die Regisseurin Ursula Meier in «Tišina Mujo» über zentrale und schwierige Fragen der Vergebung, des Neubeginns und der Aufarbeitung der eigenen Geschichte.

Tisina Mujo - l

«Crime Time» In «Hyp, mine mænd» von Oliver Tonning, versuchen zwei Ganoven die Leiche eines Bekannten loszuwerden. Die Gesprächsthemen und der Handlungsstrang schweifen genauso ab, wie die Leiche nicht untergehen möchte. Wie die anderen Filme in der Kategorie «Crime Time» versucht auch dieser, die düsteren Krimis aus dem Norden zu parodieren. Er ist witzig, leicht verdaulich und alles andere als anspruchsvoll.

Hyp, Mine Maend - l

«And the Oscar goes to...» Die oscarnominierten Kurzfilme waren die abwechslungsreichsten innerhalb der Programmblöcke. Im Belfast der 1970er Jahre freunden sich Malachy und Jamesy mit zwei Hühnern an und nennen sie «Boogaloo and Graham». Während die militärische Gewalt – im Film von Michael Lennox – spür- und sichtbar in jeder Ecke lauert, freuen sich die zwei Jungs über ihre Hühner und entdecken mit ihnen auf spielerische Weise das Leben und die Familie.

Boogaloo and Graham - l

Talkhon Hamzavi, Nominierter aus der Schweiz, erzählt von einer jungen afghanischen Migrantin auf Reisen in Zürich, in anderen Filmen wird eine tibetische Familie porträtiert, ein Leben reisst von einer Schallplatte ab oder animierte Figuren erzählen mit schwarzem Humor vom Tod und der Pflege einer alternden Mutter. Die Auswahl ist so vielseitig wie beeindruckend. Solide Programmation ohne Highlights Der Charme der Kurzfilmnacht ist einfach zu erklären: Da kaum ein Film länger als 15 Minuten dauert, ist die Abwechslung äusserst gross und auf einen Film, den man weniger mag, folgt bald der nächste, vielleicht sogar bessere Film. So ist nicht der Einzelfilm der Grund dafür, dass die Kurzfilmnacht-Tour viele Luzernerinnen und Luzerner begeistert. Es ist vor allem das Ambiente, zusammen mit Freunden und Bekannten eine ganze Nacht im Kino zu verbringen und sich sorgfältig und mit viel Engagement zusammengestellte Filme anzusehen. Das diesjährige Programm war sehr solide, nur fehlten hie und da die experimentierfreudigen Filme der letzten Jahre. Kein Film ist dieses Jahr so absurd wie der 2013 gezeigte «Threesome» von Johannes Dullin, keiner hat eine so imposante Animationstechnik wie «Malária» von Edson Oda, der letztes Jahr gezeigt wurde. «So bloody dramatic», wie im oscarnominierten Kurzfilm «The Bigger Picture» ist das gezeigte Kinoerlebnis indes nicht. Trotzdem spricht die aussergewöhnliche und entspannte Stimmung rund um die Kurzfilmnacht-Tour in Luzern für einen vorausschauenden Besuch im nächsten Jahr.