Sister Act

Sommerfestival, Kulturhof Hinter Musegg Luzern, 23.6.2018: Am Auftaktwochenende des neuen Festival besuchten wir im klein-feinen Fahrieté das Konzert mit Evelyn und Kristina Brunner. Exquisite Musik mit Örgeli, Bass und Cello.

 

Auf Hinter Musegg steht mit dem Kulturhof nicht nur ein richtiger Bauernhof, es ist ja auch Beiz und eben Kulturort. Eine geballte Ladung Kultur gibt’s anlässlich des erstmaligen Sommerfestivals bis zum 7. Juli, Musik, Kleinkunst aller Art, Kinderkultur. Wir entscheiden uns, bevor es am Abend mit Uta Köbernick in der geräumigen Heubühne weitergeht, für den Besuch im Fahrieté. Was das ist? Eine Anhängerkonstruktion, die per Traktor von Bern her zum aktuellen Standplatz unter der Museggmauer gekarrt wurde. Drinnen geht’s gestuft hinauf auf der Publikumstribüne, unten ist die Bühne, gerademal so breit wie der Anhänger selber. 40 Personen haben Platz.
Auf der Bühne zwei Personen. Wir hätten sie im April bereits in der Nähe erleben können. Der Weg war uns aber zu weit, denn die Schwestern Brunner aus dem Berner Oberland (Thun) konzertierten im Rahmen der Stanser Musiktage hoch droben auf dem Stanserhorn. Jetzt aber gleich um die Ecke.

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Beide sind halbe Luzernerinnen als Absolventinnen der hiesigen Hochschule – Musik. Sie sind also studierte Kontrabassistin und Cellistin sowie aber auch Schwyzerörgelispielerinnen. Akademisch (oder jazzig) wird’s aber nicht. Evelyn (*1990) und Kristina Brunner (*1991) sind ja auch volksmusikalisch sozialisiert von früh auf. Evelyn, die die meisten Ansagen macht, erklärt zum Stück «Berner Pölki», wie es aus verschiedenen «Müsterchen» zusammengesetzt sei, «die uns früher begleitet haben», um gleich zu ergänzen: «Immer noch.» – Kristina: «Immer mehr.» Der Titel findet sich auf dem ersten, jüngst erschienenen Album «Elementar». Ebenso wie «Dr. Romang». Der Name kommt uns irgendwie bekannt vor. Evelyn erklärt denn auch, dass es sich um eine Geschichten-«Vertonung» handelt nach Pedro Lenz. 2013 veröffentlichte er seinen Text «I bi meh aus eine», eine Auswandererstory, wo einer mit Emmentaler Migrationshintergrund in Übersee eine neue Identität annimmt, sich den Namen und Titel eines anderen aneignet: Dr. Theophil Romang.

Es ist das meiste eigenes Material, das Evelyn und Kristina Brunner zum besten geben. Man könnte es in die Schublade «Neue Volksmusik» stecken. Volksmusik ist klar, wegen der Instrumentierung. «Neu» würde dann heissen, dass sie sich metrische und harmonische Schlenker erlauben, die alles spannender machen, vom Hörgewohnten dezent ausscheren, mal klassisch, dann wieder leicht jazzig gefärbt. Die beiden Schwestern, die gern auch Stücke aneinanderhängen, kennen auf alle Fälle keine Berühungsängste. Und spieltechnisch bewegen sie sich auf einem hohen Niveau. Das zeigt sich etwa bei einer Appenzeller Polka, mit Cello und Kontrabass gegeben, wo nicht unbedingt das sonst vordefinierte Rhythmusinstrument seine Rolle übernimmt (und umgekehrt), so überraschend flott zeigt sich das Stück aus der schier unerschöpflichen Melodiensammlung von Hanny Christen.

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Gegen Schluss spielen die Brunners «Ach was!», das auf dem Album den Anfang macht. Im Fahrieté verraten sie, dass es sich dabei um einen Ausspruch ihrer Grossmutter handelt, als eine Art generelles Zauberwort bei Ratschlägen jeder Art. Schöne Geschichten, die in aussergewöhnlicher Instrumentalmusik stecken können.

Menschen, denen Brunner & Brunner gefallen hat, könnten auch Gefallen finden an Albin Bruns NAH Trio, Freitag, 29.6., 20.00, Heubühne

Mehr Sommerfestival (bis 7.7.) hier.