Silvester II: Am zwöi wird grotzet, am vieri gscheret & gli werds füfi ond mier näi no eis...

Wäre die Band eine Frau, sie wäre entweder ein 200 Kilogramm schwerer Ladyboy aus Thailand nach 16 Operationen oder eine Mischung zwischen Angela Merkel und Helmut Kohl. In ihrer spärlichen Freizeit beschäftigen sich die Kilbibuben vorliebend mit Masthummelizüchten und subversiv-politischem Engagement in der Bandeigenen KP (Kilbipartei). Als musikalische Vorbilder nennen sie Johnny Cash, die Ramones und Gody Studer. Ihre Mission ist ein Kind von Friedli in jedem Kanton der Schweiz und ihr Merchandise-Verkäufer der einzige Überlebende von Halifax. Über sich selbst möchten sie am liebsten lesen, dass sie die schönste, sexuell inspirierendste, unterhaltsamste und einzig echte Rockband des Planeten seien. Sie sind schräg, urchig und geben an ihren Konzerten gratis Kafi Schnaps aus.

Ort: Schüür, Luzern. Zeit: Ab 22 Uhr. Wetter: Winterwunderland. Stimmung: Träschig. Leute: Durstig. Mode: Swingerclub Entlebuch. Flirtfaktor: Oszilierend. Zustand des Kritikers: Beschwingt.   Frau Holle bettet die Stadt in eine dicke Schneedecke, vor der Schüür steht man sich die Füsse wund. Angetrunken vom Eintrunk an einem sehr schönen Ort erreicht Pablo irgendwann doch noch die Kasse. «Gästeliste? Du bist nicht drauf.» «Kann nicht sein. Kriegte ne Bestätigung.» «Von wem denn?» «Weiss doch nicht mehr, wie die heisst.» «Jetzt wirds schwierig...» Am Ende kommt er trotzdem rein, entpuppt sich der Eintrittsverkäufer doch als Ex-Mitarbeiter des Kulturmagazins. Drinnen fragt man sich, wo all die Leute hingegangen sind, denn unten wie oben sind die Tanzflure bloss spärlich besiedelt. Dies ändert sich mit fortschreitender Zeit. Als die Kilbimusig die Bühne entert, ist der Raum gestossen voll. Unten legt zeitgleich das legendäre DJ-Kollektiv THE LONG LEG(E)S – u.a. jeweils geniessbar an den «Oh baby, halbstark!»-Partys – auf. Rockklassiker zu covern und mit entlebucherdeutschen Texten – die sich schwergewichtig um Mädels und Kafi Träsch drehen – zu versehen kann je nach dem gut oder schlecht gehen. Bei des Friedli und Fränzens Kilbimusik jedoch, gibt es nichts auszusetzen. Das Konzert beginnt karnevalesk und animalisch. Die Bandmitglieder haben sich als Tiere verkleidet, der Sänger als Koch. Ein Quantum Mitleid durchströmt mich. Es muss verdammt heiss sein in diesen Kostümen. Diese These wird vom Gitarristen ein paar Lieder später auch bestätigt, in dem er sich auszuziehen beginnt. Musik und Texte rocken. Es wird wild der Pogo getanzt vor der Bühne und lautstark mitgegröhlt. Nach einem relativ kurzen Set ist dann fürs erste schon mal fertig. «Wir sehen uns nächstes Jahr!», verabschiedet sich der Sänger. Kurz nach Mitternacht gehts dann weiter, unter dem Motto: Bei uns ist immer fünf vor zwölf – ob an Silvester oder unter dem Jahr! Sie brätschen wieder los, diesmal in bester Rockerkleidung. Mit seinem Hut, dem Nadelstreifenanzug, der heruntergehuberten Stimme und seinen eigenwilligen Moves erinnert der Frontmann zeitweise gar ein wenig an Tom Waits. Oder dessen schweizer Pendant Dean Moriarty (Ex Dean Moriarty & the Dixie Dicks, jetzt Kummerbuben). Für verwirrte Blicke aus der rechten Ecke sorgt das Lied «Wäg de SVP hani kes Meitschi meh», in dem die Band klar Position gegen die SVP und die Hammerskins bezieht. Darauf angesprochen lacht der Sänger laut auf. Es sei ein Mythos, dass im Entlebuch viel SVP gewählt werde. Schliesslich sei das etwas neues. Und neues habe immer einen schweren Stand im grössten Buch der Welt. Die Party geht weiter. Zugabe um Zugabe folgt. Die Masse ist nimmersatt, fordert lautstark mehr und mehr. Schliesslich treten die Kilbibuben geschafft ab, unter dem johlenden Applaus der Menge, um sich von Pablo und seinen Fragen belästigen zu lassen. Als abschliessendes Statement für das neue Jahr möchte der Gitarrist der Band, C. Kilbi, unseren Lesern diese epochale, wegweisende Botschaft mit auf den Weg geben: «2009 – wer liest denn heute noch?»