Schnellertollersensationeller

Ach, wie gut das tut: Eine energetische Ladung aus Jazz und Rock, Lärm und Gesplitter, Space und Form. schnellertollermeier haben erst gerade das Luzerner Album des Jahres veröffentlicht. Und am Freitagabend an der CD-Taufe im Südpol hören lassen, dass sie auch eine heisse Live-Band sind.

Mit schnellertollermeier hat Luzern endlich eine Alternative zur allseits gehätschelten Konsensmusik aus Pop, Rock und Refrains. Das tut der Szene gut und wird sie definitiv bereichern. Manuel Troller (Gitarre). Andreas Schnellmann (Bass) David Meier (Schlagzeug) kommen strenggenommen aus der Jazz-Ecke, aber sie haben mindestens so viel Rock in den Knochen wie eine hochkarätige Indierock-Band. Da ist auch ein unverkennbares Interesse an Klängen und an Space, wie es sich in abenteuerlichen Soundscapes und Jams manifestieren kann. An der Plattentaufe war das vor allem im zweiten Teil angesagt, als «Guest-Star» Hans-Peter Pfammatter (Scope, New Bag) die rockend-dissonanten Gefüge mit Keyboard und Synthies zum Glitzern und Wummern brachte.

Dem Trio gelingt in der ersten Konzerthälfte ein guter Bogen. Es kann seine Qualitäten souverän ausspielen und auf den Punkt bringen. Da sind die Dissonanzen und Atonalitäten des Jazz, die repetitiven Themen-Patterns und Grooves  des Free-Funks, die saloppe Direktheit von Hardcore-Punk und die atmosphärischen Sensibilitäten der Psychedelik. Ausdrucksweisen, die nicht einfach beliebig ineinander verwurstet, sondern in klar erkennbare Motivstrukturen eingebettet und von dort aus energetisch gezündet werden. Die spontanen Brüller aus dem Publikum machen klar, dass dieser Sound irgendwie tief in den Bauch geht. Und in seinen besten Passagen – wenn das Trio interaktiv wie aus einem Zentrum rotiert – etwas Zwingendes hat. Wo sich die Tracks episch ausbreiten, was recht häufig der Fall ist, muss man nicht gleich Angst haben, wie bei vielen Post-Rock-Bands, dass nun gleich die Langeweile aus dem Bühnenebel kriecht. Auch in den klanglich feinsten Passagen, wo nur noch einzelne Saiten kratzen und schwingen oder der Schlagzeuger filigranst mitklöppelt, lauert bei diesem Trio eine Spannung, die jederzeit hervorbrechen kann. Das kommt auf der CD aber stärker zum Ausdruck, als man es am Freitag live erleben konnte. Dafür wirkten auf der Bühne die repetitiv hoch gepeitschten Krachmomente umso massiver. Schnellertollermeier machen deutlich, dass eine Jazz-Ausbildung nicht notwendigerweise in kopflastige Frickelparcours oder ermüdendes Fusion-Gedudel münden muss. Sondern eine Ausgangslage zum Toben sein kann, ohne deswegen die Form und auch nicht die dringliche Wucht zu verlieren.

Die Musik ist auch viel verständlicher und zugänglicher, als dies etwa der Titel der neuen CD «Zorn einen ehmer üttert stem!!» (Veto Records) suggeriert. Sie hat griffige Themen, durchaus melodiöse Motive und immer auch einen Sinn für Form. Gleichzeitig ist sie brachial, klirrend, experimentierfreudig, ausufernd. Manchmal fühlt man sich an die frühen OM erinnert, die in Luzern vor 40 Jahren mit ihrer selbst betitelten «Electricjazz-Freemusic»  die beiden Pole Jazz und Rock aneinander rieben. Von der Lust am Sound-Abenteuer her sind Schnellertollermeier ihre Enkelkinder, wenn auch musikalisch ganz anders sozialisiert. Im letzten halben Jahr war Manuel Troller als Gitarrist mit Sophie Hunger auf Tournee. Und Bassist Andi Schnellmann kennen wir von Singer Songwriter- und Pop-Bands wie Henrik Belden, Serpentine, Monotales oder Rickenbacher. Und dann stehen sie zusammen mit Schlagzeuger David Meier als schnellertollermeier auf der Bühne und machen eine rockig-explosive und auch intelligent-experimentelle Musik jenseits von Song und Sängerfreude, dass es kaum zu glauben ist. So ist das heute. No more Szenen-Gärtchen. Und der Gärtner sah, dass es gut war.