Salle modulable – Was hat Kunst mit Demokratie zu tun?

Bevor ich auf das Gespräch am Mittagstisch zu reden komme, noch «something completely different» wie die Monty Pythons zu sagen pflegten ...

(Von Roland Neyerlin)

Heute Morgen, die Tür war noch abgeschlossen, klopfte eine ältere Frau an die Schaufensterscheibe. Sie hatte irgendwie erfahren, dass ich Menschen einlade, «ohne Voranmeldung» mit mir zu philosophieren. Sie kam von ausserhalb der Stadt, nahm einen Weg auf sich! Innerhalb von wenigen Minuten war ich in ihre Geschichten involviert. Es entwickelte sich ein intensives Zwiegespräch. Wir sind unsere Geschichten! Wir alle sind von Anfang an in Geschichten mit anderen verstrickt. So lange wir Geschichten erzählen leben wir noch. Hölderlin sagt: «Der Mensch ist ein Gespräch.» Gespräche brauchen Raum und Zeit. Wir brauchen Erzählräume, Räume des gemeinsamen Nachdenkens. Das Schaufenster ist ein möglicher Gesprächsraum. Am liebsten bin ich als Philosoph on the road, wie Bob Dylan auf einer «Never Ending Tour» und versuche Orte zu kreieren, wo ich Menschen in Gespräche verwickeln kann. Und noch etwas ist mir heute Morgen klar geworden: Philosophieren hat auch etwas mit Seelsorge zu tun. Nicht im Sinne der Bereitstellung von fertigen Antworten, sondern im Sinne der Selbstsorge. Philosophieren als Nachdenken über sich und die Welt in Form eines Dialoges beinhaltet auch den sorgsamen Umgang mit sich selbst und mit anderen. Philosophie ist so betrachtet immer auch Theorie und Praxis des guten Lebens zugleich. Nun doch noch ein paar Worte zur Tagesfrage. Wir kamen im gemeinsamen Gespräch schnell zu einer banalen Einsicht: was im öffentlichen Raum, der per definitionem immer ein politischer ist, ein Thema ist, die Demokratiefrage nach sich zieht. Was wäre ein demokratischer Umgang mit Entscheidungsfragen im öffentlichen Raum? Demokratische Lebensformen sind dialogisch und der Dialog hat die Aufgabe, die Vielstimmigkeit zur Geltung zu bringen. Demokratie ist Polyphonie!