Rebellisch, aber auch pünktlich – Soap&Skin im Südpol

Soap&Skin, das ist der blutjunge österreichische Internet- und Medienhype – mit bürgerlichem Name Anja Plaschg. Gestern spielte sie im Luzerner Südpol. Der Publikumsaufmarsch war gross, die Erwartungen hoch, das Konzert enttäuschend.

Der Auftritt würde Punkt 21 Uhr beginnen und eine Stunde später zu Ende sein, teilte der Südpol gestern via Facebook mit. Eigentlich gut, wenn man sich auf ein pünktliches Konzert einstellen kann, nur zu oft beginnen sie hierzulande unverständlicherweise immer etwas später als angekündigt. Doch es zeigt auch, wie durchorganisiert die Maschinerie Soap&Skin – trotz des zarten Alters der 19-jährigen Anja Plaschg – schon ist. Zudem legt sie (oder das Management) grossen Wert auf korrekte Schreibweise ihres Namens Soap&Skin (ohne Leerschläge!). Vor dem Konzert hört man im Foyer verstörende Elektroklänge. Zufall oder Konzept? Als die Türen zum Grossen Saal geöffnet werden, strömt dem Publikum weihrauchartiger Nebel entgegen. Zufall oder Konzept? Wie auch immer, in theatermässigem Benehmen setzen sich die Zuschauer auf die Tribüne, die schnell rappelvoll ist und wartet gebannt auf die junge Österreicherin, die in den letzten Monaten für so viel Aufregung in der internationalen Presse sorgte. Plaschg, die aus einem 2000-Seelendorf namens Gnas in der Steiermark nach Wien auszog, Songs in Eigenregie produzierte und auf Myspace stellte und alsbald als «Österreichs next Wunderkind» («taz») aufgefasst wurde. Die Independent-Musikgemeinde schien auf diese Geschichte regelrecht gewartet zu haben, die Geschichte der jungen Dörflerin, die via Internet das Musikgeschehen aufmischt. Ihr Album «Lovetune For Vacuum», das respektable Kritiken genoss, ist ein dramatisches Stück Musik mit aufwühlender Stimme, schwermütigem Klavier und Elektrospielereien. Angekündigt war ihr Konzert im Südpol bereits im Frühling, musste aber aus gesundheitlichen Gründen auf den September verschoben werden – der Vorfreude tat das keinen Abbruch. Im Südpol sah man am Mittwoch auch Angereiste aus Zürich und anderen Kantonen. Das Publikum im Saal hatte sich also gesetzt, atmete den Weihrauch und schielte auf die Bühne. Darauf ein Flügel mit einem Laptop obendrauf und einige Mikrofone. Plaschg setzte sich an die Tasten und brachte ein scheues «Hallo» über die Lippen bevor die ersten schweren Akkorde erklangen.

Doch der Mythos, der um die Person Plaschg so schnell wie konsequent aufgebaut wurde, fiel bereits während der ersten Songs. Diese sind reduziert auf Piano und Stimme zu seicht, zu simpel und durchschaubar. Und wenn sie auf den Laptop drückte und die Begleitgeräusche ertönten, wirkte das oft etwas künstlich und aufgesetzt. Und vor allem: Im Gesang verfehlte Plaschg besonders am Anfang des Konzertes die Töne reihenweise. Sie hatte ihre guten Momente, beispielsweise als sie ganz am Ende des Auftritts den Flügel verliess und am Bühnenrand vor ein Mikrofon stand. Die Musik ertönte opulent ab Konserve und ihre Gesang hatte erstmals etwas faszinierend Durchdringendes – wie sie die Töne regelrecht aus sich herauspresste und dabei ohne eine Miene zu verziehen ins Leere starrte. Wie Plaschg aber andererseits etwa in der Hälfte des Sets einen gehetzten Ausflug um die Bühne machte, in wirren Bewegungen hin und herlief und allerlei Geräusche von sich gab – es war eine so jugendlich rebellische wie peinlich berührende Performance. Die konsequente Verweigerungshaltung (kaum Blicke ins Publikum, kaum dankende Worte), das übertrieben Theatralische sowie das Gespür für zarte Pianomelodien wie auch Elektro-Störgeräusche und Gesangseskapaden – all das hätte Potenzial für einen aufwühlenden, überraschenden Auftritt. Wenn man nicht von einer schieren Erwartungshaltung ausgegangen wäre, die man angesichts der Aufregung um Soap&Skin zwangsläufig haben musste. PS: Tatsächlich kehrte Plaschg noch für eine ungeschminkte, zarte Pianoballade als Zugabe zurück, bedankte sich kurz und scheu, suchte ihre Getränkeflasche auf der Bühne und verschwand. Schön – und wohltuend menschlich dazu.