Rap mit Tiefgang

20.04.2019, Südpol, Kriens: An diesem Abend machte der Berner Rapper Nativ in Luzern halt auf seiner «Baobab»-Tour, Support bekam er von NDO. Mal bouncend, mal still, mal tief, mal primitiv – ein kurzer, aber dennoch abwechslungsreicher Abend.

Schon zu Beginn des Konzerts, das im Club des Südpols stattfand, war die Luft rauchig, die Stimmung düster. Das Publikum wirkte etwas verhalten und tummelte sich lieber an der Bar herum. Nur ein paar Mutige wagten sich bis vor den Bühnenrand, wo der Luzerner NDO anfänglich in einer leuchtend gelben Jacke nach einer knappen Begrüssung mit sehr viel Autotune übermütig seinen ersten Track einstimmte. «Pulver» thematisiert die tiefsten Abgründe des Milieus und der Sucht nach Kokain. Danach verkündete NDO gleich das Motto seines Auftritts: Happy 4/20! – lang lebe die Canabiskultur! Dies wurde ordentlich zelebriert, indem direkt ein Joint auf der Bühne angezündet und genüsslich daran gezogen wurde. Dieser zirkulierte während den nächsten Songs des Albums «7Zu7», welches im Dezember 2018 unter NDOs eigenem Label Last Row Music erschien.

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Etwas ruhiger, fast schon schnulzig wurde es durch die Melodien vom Luzerner Little Miss Sunshine, dem Kick Ass Gewinner 2016. Doch bald schon ging’s wieder zurück zum «Rapshit», in den sich NDO verliebt hat, wie er als Überleitung zu seinem gleichnamigen Song preisgab. Bald schon liessen es die Jungs an flachen und anrüchigen Lines im Song «Fick uf alles» nicht mangeln und ballerten dem Publikum ihre Coolness ein.

Schweigeminute im vermeintlichen Paradies

Kurz vor dem Auftritt des Mainacts baute sich Spannung auf. Unter Licht- und Raucheffekten erschien schliesslich Nativ auf der Bühne. Schon beim ersten Song «Sanspapier» zeigte der Berner die Reflektion und Tiefe seiner Texte. Trotz der teils rauen Sprache holte er sein Publikum wieder auf den Boden der Realität zurück, denn «mer aui si wichtig, auso due nid so wichtig!», wie er mit seinem unverkennbaren Bärndüütsch beim Rappen unterstrich. Nativ, dessen bürgerlicher Name Thierry Gnahoré lautet, veröffentlichte das Album «Baobab» im November 2018. Jedoch ist es nicht mehr das aktuellste des Künstlers, der am 22. März dieses Jahres zusammen mit Produzent Questbeatz ein neues Album, «Awful», releaste. Eins ist klar: Gnahoré hat vieles zu sagen. Eine gehörige Portion Gesellschaftskritik, Genderfragen, die ständige «Büez» oder Hautfarbe thematisiert der 25-jährige und versucht damit, das Publikum zu erreichen. Die Connection schien zu gelingen,  brachte er das tobende Publikum sogar für 30 Sekunden zum Schweigen, als Andacht an jene, die von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit betroffen sind. Zwar gelang dies erst nach dem zweiten Versuch, denn der erste wurde bedauerlicherweise durch laszive Einrufe von übermütigen Trap-Fans gestört. Der nächste Song «Paradies» machte unter anderem genau das aber auch zum Thema und hinterliess bei einigen im Publikum einen ernsten Gesichtsausdruck.

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Nicht nur vom «Baobab»-Album, sondern auch von älteren Alben wurden Songs gespielt. Zusammen mit seiner Rapcrew S.O.S., ein Akronym für Saviour of Souls, brachte Nativ auf seinen vorigen Alben «MVZ Vol. 1 & 2» Songs wie «Candomblé», «Funkaveli» oder «Butterflöigä» heraus. Bei diesen stimmte das Publikum lautstark mit an. Gnahoré motivierte es auch zu sportlichen Aktivitäten; so wurde von rechts nach links durch den ganzen Raum gehüpft. Trotz Abwesenheit des Bieler Rap-Kollegen Buds Penseur wurde zu «flip» der flippige Tanzstil ausprobiert. Das machte durstig und Nativ verteilte den Zuschauer*innen Wasserflaschen von der Bühne – hier wird also füreinander gesorgt, denn alle sind S.O.S. Das Wir-Gefühl endete schliesslich in einem riesigen Moshpit, in den sich der Künstler gleich selbst stürzte, wobei einige Biergläser zu Boden fielen –  «Scherben bringen Glück», kommentiere das der Rapper. Aus Zeitdruck wurden viele inhaltsstarke Songs leider nur kurz angestimmt und noch vor Mitternacht war der ganze Spass dann auch schon vorbei. Doch lange lässt Nativ nicht auf einen neuen Release warten, wie er andeutete. Ein neues Album soll schon demnächst entstehen, während einer dreiwöchigen Reise an die Elfenbeinküste. Welche Themen wohl dann zu Wort gebracht werden?

Die Rezension gefällt? Hier gibt's alle Texte von Lea Stadelmann!