«Radio zum Losu»

Kleintheater Luzern, Freitag, 30.10.2015: Das bernerisch-walliserische Trio infernal mit Namen Die Gebirgspoeten gab sich in Luzern die Bühnen-Ehre. Anlass: Präsentation des brandneuen Hörspielprogramms «Radio Alpin».

Am Schluss heisst es: «Radio Alpin, Radio, wo ou mou fertig isch.» Zuerst aber fängt es an. Wie es sich gehört, mit Nachrichten. Dazwischen, immer wieder mal, eine flotte Nummer, ein Song, eigenhändig dargeboten von den dreien am waschechten Sendepult inklusive «On Air»-Leuchte. Die live virtuos am Keyboard intonierten Jingles nicht zu vergessen. Die drei sind keine Fragezeichen, sie heissen Rolf Hermann (Wallis), Matto Kämpf (Bern), Achim Parterre (Emmental). Gemeinsam bestreiten sie als Die Gebirtspoeten das Programm «Radio Alpin». Es ist ein leicht angestaubt-müffeliger Sender, nur schon, wie sie auftreten, mit Seventies-Brillen und kackbraunen Manchester-Sakkos. Das gelierte Haupthaar akkurat gescheitelt.

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Es ist wie echt und hat alles, was das Radioherz begehrt. Weil man Werbung hört, ist zu vermuten, bei «Radio Alpin» müsse es sich um einen provinziellen Privatsender handeln. Ein schöner Rest ist aber dem DRS- bzw. SRF-Groove abgehört. Es gibt ein Telefonquiz (Vogelstimmen-Erraten), Buchtipps, das Konsumentenmagazin «Ristretto» mit einer schwafelnden US-Amerikaner als Expertin beim Streichkäs-Vergleichstest, Vouksmusig (der Studiogast mit neuer CD vertritt mit seiner Kapelle progressive Folklore, wenn sie alte Volksmusik «frech interpretieren», etwa das groovige Stückli «Vo Wäggis bis Fukushima»). Die 8-jährige Tamara aus dem Entlebuch hat eine grosse Frage, die prompt mit gfürchigen Bibelstellen beantwortet wird (Apokalypse, Offenbarung Johannes). Es gibt Wetterdurchsagen («hött ke Wätter»), eine Sportsendung mit Pingpong-Übertragung aus Schanghai. Einer von mehreren Höhepunkten bildet die Nummer «Zu Gast auf der Wortwiese», der unfreiwillig komischen SRF-2-Klassik-Sendung «Diskothek im Zwei» abgeschaut: Zwei Kryptodialektologen geben Einschätzungen zu unterschiedlichen Versionen von Goethes «Wanderers Nachtlied». Das Original, gesprochen vom Dichterfürsten himself, wird eingespielt, dazu kommen Walliser, Bündner und Walser Idiome. Alles erstunken und erlogen, aber saukomisch. Wie übrigens auch, gegen Ende dieser Radio-Live-Performance, der Besuch im Probekeller der stilbildenden Mundart-Metal-Band Sagex, die gleich live über den Äther ein abschreckendes Müsterchen ihres krachigen Treibens darbieten («Kill die Sou – Grill die Sou»). Die drei Protagonisten haben an ihren Mikrofonen sichtlich eine nicht nur heimliche Freude an ihrem Tun. Einmal verbollet es sie sogar selber fast. Achim Parterre, der Berner, amtet souverän als Kapellmeister und überrascht mit mehreren Dialektimitationen (von Bünder- bis Appenzellerdeutsch), Rolf Hermann ist der mit dem exotischen Blatterdeutsch («Radio zum Losu», zum Losen, also Hören), Matto Kämpf gebärdet sich bravourös als wandelbare Radiostimme, nicht ohne auf mitunter innigen Gesang zu verzichten. Muss man eigentlich gehört und gesehen haben. Das Ganze gibt’s zum Glück auf CD. Quizfrage: Was ist es, was die drei da treiben? Zutreffendes bitte ankreuzen. Schräger Schabernack / Niederschwellige Hochkomik / Grossartige Kleinkunst / Umwerfende Unsinnsfabrikation Im Magazin «kulturtipp» stand anlässlich der Debüt-CD «Letztbesteigung» (2010) richtig geschrieben: «Bei den Gebirgspoeten trifft tiefgründige Talpoesie auf höheren Bergblödsinn.»

Die CD: Die Gebirgspoeten. Rolf Hermann, Matto Kämpf, Achim Parterre: Radio Alpin. Regie: Geri Dillier. Der gesunde Menschenversand, 55:20, Luzern 2015       Next Stops: «liederlich – das Liedermacher-Festival» mit Matto Kämpf (Klampfe und Gesang), Dodo Hug und Efisio Contini, Markus Schönholuzer und Robi Rüdisüli, Reto Zeller; Dienstag, 10.11., 20.00, Kleintheater Luzern Matto Kämpf, Jens Nielsen, Ivo Engeler: Unerhörtes aus dem Kuriositäten-Kabinett, Dienstag, 17.11., 20.00, Loge Luzern Trampeltier of Love mit Matto Kämpf, Simon «King Pepe» Hari, Marc Unternährer: Samstag, 28.11., ab 17 Uhr, Neustahl Luzern

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