Potzplitz, Plüsch!

Das Erfolgsphänomen Plüsch war am Samstag zu Gast in der vollen Schüür. Nach längerer Pause sind die fünf Berner Oberländer mit massenkompatiblem Mundartpop wiedergekehrt.

Schüür, 3.3.2012. Ist das nicht die Band, die so tönt, wie sie heisst? Die mit Mundartpop aus dem Berner Oberland sich vor zehn Jahren ganz nach oben spielte, die Hitparaden stürmte und die Häuser füllte? Sie sind es, und immer noch die Gleichen: Das Line-up von Plüsch ist von Anfang an unverändert, sodass am Samstag diese fünf Interlakener Giele auf der Schüür-Bühne spielen: Simon Simi Ryf (Bass), Roger Röschu Meier (Gitarre), Andreas Hunzi Hunziker (Tasten), Alexander Bali Balajew (Drums) und Andreas Ritschi Ritschard. «In den neuen Songs geht es um Leute wie du und ich und um die Freuden und Sorgen, die uns begleiten. Sicher geht es auch um - verflossene - Liebe, es geht aber noch mehr um die Auseinandersetzung mit eigenen Schwierigkeiten, um Einsamkeit, um die Sorge um die Zukunft. Die Texte spielen mit Worten, malen Bilder und zeigen Gefühle und Betroffenheit - sie sind unkompliziert, echt, persönlich und gehen ans Herz.» Soweit der Pressetext zum neuen, vierten Album «Eile mit Weile» Die Schüür kennen sie schon, im ABC Mixx hatten sie gespielt und im Stadtkeller, hier zuletzt im Januar 2008 auf Abschiedstour. Ritschi meinte damals, dass sie wieder konzertieren würden, wenn ein neues Album da sei nach der grundsätzlich offenen Pause. Er sprach von «drei Jahren», die das dauern könnte. Ist nun etwas länger geworden, bis «Eile mit Weile» im Kasten war, an dem die fünf in Eigenregie zwei Jahre lang arbeiteten. Und damit, wen wunderts, prompt die Hitparade stürmten. Platz 1. Wer wie unsereiner sicher gehen will, keine einzige bekannte Menschenseele anzutreffen, gehe an ein Plüsch-Konzert. Nur, das ist ein schwacher Trost. Aber gut, ist ja Arbeit. Doch noch, zwei bekannte Gesichter. Einer muss da sein, es ist der Plüsch-Manager C.M., der ansonsten den weniger Umsatz machenden Hank Shizzoe betreut, der im letzten Juni das Vorprogramm in Sursee für Bob Dylan bestritt. Und dann noch der Gitarrist einer Luzerner Band, die es jeweils auch in die Hitparaden schafft. Im Publikum beträgt der gefühlte Frauenanteil unter den 600 mindestens 90 Prozent, viele Pärli, das Gros im Twenty-Something-Bereich. Man kann mitsingen und die Arme in die Höhe recken. Die fünf vorne auf der Bühne machen ihre Sache solide, das ist Entertainment der professionellen Art (inkl. Bühnensound), das ist Mitgeh- und Mitfühl-Musik. Sie können schön Chörli singen, und Ritschi kann gekonnt pseudo-soulig phrasieren. Kann man nichts dagegen sagen. Wenn die Texte nicht wären. Der «Tages-Anzeiger» befand jüngst, «der aktuelle Mundartpop (ist) keine Erzählung mehr über die Schweiz, sondern eines ihrer Symptome. Und sein Boom ist seine tiefste Krise.» Festgemacht ist die Analyse an den Beispielen Baschi und eben Plüsch – «im Mainstream hat Mundartpop aufgehört, über die Schweiz mehr als die Schlagerwahrheit zu erzählen, wonach es hier schön sei.» Passt. Plüsch kommen von dort, woher auch ein gewisser Polo Hofer stammt. Und er kommt denn auch, der Rumpelstilz-Hit von 1976, von den Nachgeborenen auf ihrem Debüt-Album 2002 interpretiert: «Teddybär». Und dann noch ein Polo-Stück. Machen Plüsch Schlager? Irgendwie schon.