Politik und Poesie

Museum im Bellpark Kriens, 25.08. - 04.11.2018: Ein relativ kleiner Ausstellungsort ehrt einen Grossen der Fotografiegeschichte. In Kriens ist die Werkschau «Standpunkt» zum epochal und international bedeutsamen Schweizer Bildjournalisten Werner Bischof (1916–1954) zu sehen. 

Bilder © Werner Bischof / Magnum Photos
Kopfbild: Im Süden des Landes, USA, 1954

Er verband das Wahre mit dem Schönen, das Wirkliche mit dem Poetischen, stellte bei einem humanistischen Anspruch den Menschen in den Mittelpunkt seines Schaffens. Aus seinen angewandten Arbeiten, technisch freilich makellos, ist Kunst geworden. Keine Frage: Werner Bischof ist ein Klassiker, einer der wichtigsten Fotografen des letzten Jahrhunderts. Wenn er, was unumgänglich scheint, auf die Menschen in ihrem Elend blickt, Kriegsversehrte, Hungernde oder in anderer Not, «wird er nie zynisch», wie Bellpark-Leiter Hilar Stadler sagt. Er begebe sich nicht in «ein Ausbeutungsverhältnis», immer bewahre er in seinen Bildern die Würde der Abgebildeten. Bischof sei vom Impetus geleitet, mit seinen Arbeiten auch etwas zu bewirken, als «Weckruf», der auf Drängendes aufmerksam macht.

«Standpunkt»: Geradezu programmatisch zum Titel der Ausstellung und zu der gleichnamigen Monografie aus Anlass seines 100. Geburtstages im Jahr 2016 zeigt sich Werner Bischofs bekanntes Bild, das er 1951 in Südkorea schoss, das Umschlagfoto des Buches. Bischof, selber mittendrin, eigentlich einer von ihnen, kehrte für einmal die Perspektive um, richtete sein eigenes Objektiv nicht auf das für uns nicht sichtbare Bildsujet, sondern nahm die Bildjournalistenmeute mit ihren Kameras ins Visier. Kriegsberichterstattung einmal anders, aus einem anderen Blick- oder eben Standpunkt. Werner Bischof hatte seinen eigenen eingenommen. Was war da los? Es sind internationale Pressefotografen anlässlich der Ankunft von General Ridgway in Kaesong, Korea, Juli 1951.

werner bischof 1954
Werner Bischof in Peru, 3. Mai 1954, Foto: Eugene V. Harris

Werner Bischof, 1916 in Zürich geboren, besucht von 1932 bis 1936 die dortige Kunstgewerbeschule, wo er sich zum Fotografen ausbilden lässt. Im eigenen Studio praktiziert er anschliessend Mode- und Werbefotografie. Ab 1944 widmet er sich sozialen und politischen Themen. Bischof wird 1949 für die renommierte Fotografen-Kooperative Magnum tätig, die als Agentur Bilder in der ganzen Welt verbreitet. Zu Bischofs Kollegen gehören Berühmtheiten wie Henri Cartier-Bresson und Robert Capa sowie René Burri. Bischof publiziert in den renommiertesten Blättern seiner Zeit, von «Life» bis «Paris Match». Bischof fotografiert das versehrte Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, er reist nach Asien, für gut ein Jahr, vor allem hält er sich in Japan auf, mit Abstechern in die Kriegsgebiete von Korea und Indochina; Anfang der 1950er-Jahre macht er Bilder von der Hungersnot in Indien. Dann eine lange Reise durch die USA, hinunter in den südlichen Kontinent. In Peru entsteht eines seiner letzten Bilder, «Auf dem Weg nach Cuzco» (1954), ein Flöten spielender Junge vor Berglandschaft. Hier, in den Anden, stirbt Werner Bischof am 16. Mai 1954 bei einem Autounfall, gerade mal 38 Jahre alt.

peru 1954
Auf dem Weg nach Cuzco, in der Nähe von Pisac, Peru, Mai 1954

Die Ausstellung in Kriens bringt viele Bischof-Fotos, aber nicht etwa als Vergrösserungen (Plots). Vielmehr sind Originalprints zu sehen, die ursprünglichen Bildformate; sie ermöglichen den Blick darauf, «wie er seine eigenen Bilder interpretiert hat», sie sind gleichsam der «Daumenabdruck des Meisters» (Hilar Stadler).

Wie kommt ein relativ kleines Museum zu einer Werkschau eines so grossen Fotografen? Ganz einfach: Werner Bischofs Sohn Marco (*1950) hatte bereits die umfassende Ausstellung zum 100. Geburtstag seines Vaters vor zwei Jahren in Lausanne mitkonzipiert. Er ist danach auf das Museum in Kriens zugegangen und fragte, ob man eine Ausstellung machen wolle. Man wollte.

Die Ausstellung «Standpunkt» orientiert sich als Deutschschweizer Adaption an der grossen Bischof-Werkschau zu dessen 100. Geburtstag 2016 im Musée de l’Elysée in Lausanne. Neben Fotografien zeigt das Museum im Bellpark Skizzen- und Notizbücher. Man erkennt, welch talentierter Zeichner er auch war. Werner Bischof wollte bildender Künstler werden, ein Plan, den der Zweite Weltkrieg zunichte machte, weil der junge Schweizer 1939 die Kunststadt Paris gleich wieder verlassen musste.

Interessant zu wissen: Werner Bischofs Witwe Rosellina (1925–1986) heiratete später René Burri (1933–2014), den anderen grossen Schweizer Fotografen (der mit den Che-Guevara-Bildern).

Im Begleitprogramm zur Ausstellung «Werner Bischof – Standpunkt»bietet das Museum im Bellpark Rundgänge, Führungen und Podiumsgespräche an.

Werner Bischof – «Standpunkt»
Museum im Bellpark Kriens
25. August., bis 4. November 2018

Werner Bischof: «Standpunkt». Verlag Scheidegger & Spiess, 312 Seiten, Zürich 2016.

Demo Mailand
Demonstration gegen die Abspaltung der Provinz Triest von Italien; Piazza del Duomo, Mailand, 1946
japan
Shinto-Priester im Hof des Meiji-Schreins, Tokio, 1951