«Pfingsten sind die Geschenke am geringsten»

Dies Zitat ist von Mambo Kurt. Mambo wer? Mambo Kurt! Er hatte aber nicht recht, das Gasthaus Grünenwald beschenkte seine Pilger ausreichend und üppig. Wie in den vergangenen Jahren üblich, feierte man die Entsendung des heiligen Geistes auf Grünenwald am «Halt auf Verlangen»-Festival. Diese zwei perfekten Tage versucht zu rekapitulieren:

(Nina Laky)

Als nach einem lauten Wochenende die Zelte zusammengepackt, die Köpfe gehalten und Engelberg wieder für ein Jahr verlassen wurde, fühlte man ein leichtes Ziehen und Stechen in der Brust. Dies ist vielleicht nicht nur bedingt durch den Abschied, aber dieser war tatsächlich nicht einfach. Lebte man doch für kurze Zeit ausserhalb des gewöhnlichen Universiums und zwar zwischen Zeltplatz, Zug und einem zuckersüssen Häuschen. Auf dem diesjährigen Programm stand viel, vieles, das ich mir nicht merken konnte. So wurde der Ausflug nicht nur zu einem Abenteuer in der Wildnis, sondern auch zu einem musikalischen Sturzflug. Aber fangen wir doch da an, wo es aufgehört hat: Aufgehört hat es irgendwann zwischen sechs und sieben Uhr morgens, als er, ich nenn in mal Gott, wenn wir schon bei religiösen Floskeln sind, seine Tonbändern anfing einzupacken. Eine Disco, wie man sie selten erlebt, mit und von TJ SPOOL. Auflegen wie es sein sollte, in selten gehörter Qualität und mit einem auserwählten, exzellenten Musikrepertoire. Seine Heiligkeit lies die Revox-Bandmaschinen ein paar Stunden laufen und somit unsere Köpfe schütteln. Müde und überglücklich kroch man dannach im Morgengrauen zurück in ein bitterkaltes Bett, betete noch ein wenig und schlief kurz aber intensiv ein bis zwei Stunden. Schlaf ist bekanntlich Mangelware an solchen Anlässen, aber was würde man da nicht alles verpassen! Schlafen kann man noch, wenn man tot ist! Verpasst hätte man zum Beispiel, die Konzerte, welche vor der grossen Disco draussen Jugendliche, Gross- und Kleinfamilien und Menschen zwischen 20 und 50 ausflippen liessen. Der krönende Abschluss des Festivals waren drei Herren aus Cagliari, Sardinien. Mit Namen: Andrea, Stefano und Claudio. Die Italiener (wie sie im Buche stehen) betraten eine bereits vorgewärmte Bühne und schmetterten ihren perfekt ausgeklügelten Garage auf uns hinunter. In der vordersten Reihe ging es nicht lang, bis Bier über die drei rieselte. Den einen oder anderen Ellbogen bekam man auch ins Gesicht oder in den Rumpf, dies aber steigerte die Stimmung ungemein. Hit an Hit und Schrei an Schrei spielten Loveboat alles was ihr Album «Imaginary Beatings Of Love» und ihre drei EPs hergaben. Sonnenbrille auf und durch, dachten Loveboat sich wohl und was man anfängt, bringt man ordenlich zu Ende. Meint: laut schrummeln und dann Gitarre fallen lassen. Grossartig! Am gestrigen Sonntag spielten fünf Bands auf Grüenenwald auf. Die vierte im Bunde war Beelzebub aus Zürich. Beelzebub meint soviel wie Teufel. Teuflisch gut aber wär zu viel gesagt, wenn man diesen Rockabilly ein wenig sacken lässt. Das Konzert ging mehr oder weniger an mir vorbei, darum: sah gut aus von Weitem. Ein kleines Heimspiel gaben Al-berto & the fried Bikinis, der Kopf der Band ist nämlich ein Engelberger. Aber eigentlich nie zuhause. Er reist nämlich und surft in der Welt rum, schreibt so auch die meisten seiner Songs. Das man da zuallererst an Jack Johnson denkt, ist nicht verwerflich und schlussendlich auch nicht weit davon entfernt. Al-berto & the fried Bikinis geben Manu Chao, Keziah Jones, Beck and Jack Johnson als ihre Einflüsse an. Wer will der kann Al-berto und seine Bikinis (welche übrigens immer aus anderen Gastmusikern bestehen) ansonsten noch am Lakeside-Festival live anhören gehen. Da man auf Grüenenwald vorallem Kultur in allen Facetten (Trinken und dann auf der Bank in der Disco einschlafen) kennenlernt, gehört dazu auch eine ordenliche Lesung. Der Literat Wiglaf Dorste hat einen schrecklich, wirklich schrecklichen Namen. Nur um das hier einfach mal gesagt zu haben. Die Lesung von Herrn Dorste war aber eigentlich genau so amüsant wie sein Name. Der Saal im Hause war überfüllt und die Lacher gingen auf sicher. Intelligent auch, mit den Schweizer Sprachunsinnigkeiten das Publikum am anfang abzuholen. Geschickt! Wiglaf Dorste las aus seinen Kurzgeschichten viel Altbekanntes. Die Kaffeeschnabeltasse ist nicht wirklich neu, so wie es Friseurenwitze auch nicht sind. Trotzdem fand ich es bemerkenswert, wie der Lebensphilosoph sich die Mühe und Zeit nahm, alle stumpfsinnigen Friseursalon-Namen zu sammeln. Der Favorit hielt er sich für den Schluss auf: Kaiserschnitt. Bevor aber man sich wiedereinmal setzen durfte und einfach nur zuzuhören und Kopfkino zu betreiben, eröffnete der zweite Tag auf Grünenwald mit einer Sympathie-Bombe. Diese hiess Tumba Zaffa und hätte sich, mal ehrlich, auch einen netteren Namen aussuchen können. Die Herren heissen Raphi, Lüku, Moritz und Chregu und kommen - so nimmt an an- aus dem Appenzell. Ihre Musik ist in der Tat einzigartig, sie covern Metal-Songs auf kuriosen, urichigen Instrumenten. Drei Hackbretter, aber nur ein Hackbrett-Gott, Chregu. Er platzierte sich in der Mitte der Bühne und während des Konzerts den einen oder anderen Witz. Der Auftritt war extrem spannend zu beobachten, selten schaute man Musikern so auf die Finger. Bevor ich an diesem Tag ins Gasthaus eintrat, wurde noch ein kleiner Ausflug mit der Bahn nach Engelberg gemacht. Dies gehört schliesslich dazu, und letztendlich wissen wir alle, dass man in einem Zelt selten gut ausschlafen kann. Die Müdigkeit spielte also an jenen Tag eine Rolle, aber höchstens in der Statisterie. Angefangen hat alles Samstag abends. Nach der Ankunft und dem Zeltaufstellen, welches sich fast in einer Schlägerei geändet hätte, betrat man zum ersten Mal seit einem Jahr wieder das Haus Grünenwald. Geändert hat sich eigentlich nicht viel, zu Essen gab es immer noch einen super Vegiburger, Bratwürste oder ein individuelles Menu. Zu Trinken gab es immer noch kleine und grosse Biere, oder ein Haufen Süssgetränke, falls im Verlaufe des Abend eine Cola-Pause anstehen sollte. Das Motto des diesjährigen Festivals war die Seefahrt. Loveboat haben wahrscheinlich mit ihrem Namen da eine Vorarbeit geleistet. Grosse, aufgeblasene Plastik-Seemänner begrüssten uns hinter der Bühne an der Seemannsbar. Leider kam ich nie dazu, den speziellen Seemanns-Drink zu probieren. Dafür gab es, wie es sich für richtige Seemänner und Seefrauen gehört, Tattoos – nicht zu stechen – zu zeichnen. Nach dem allgemeinen Kurzen abchecken der diesjährigen Lage auf Grünenwald stürzte man sich ins Vergnügen. Leider tauchte Admiral James T. nicht auf, er hätte nach Matze auf der Bühne sein Ein-Mann-Ding durchziehen sollen. Deswegen verpasste man nun die eine oder andere Band und fand sich erst wieder am Konzert des Heimorgel-Königs. Mambo Kurt ist ein wahrer Entertainer. Ein Deutscher, der schön schnell und bestimmt deutsch spricht. Da, denke ich nun mal so, überforderete er das Publikum um solch späte Urzeit. Die Musik allerdings war genau das Richtige, tanzbar, laut und schnell oder langsam und lustig. Auf seiner Heimorgel spielte der Heimorgel-Messias altbekannte Songs wie zum Beispiel Rage Against The Machine mit ihrem Hit «Killing In The Name Of». Das klingt dann sehr neu und sehr amüsant, wenn es auf einer Heimorgel daherkommt und erst recht, wenn es von einem verstörten Deutschen serviert wird. Man sollte es am ersten Abend aber eigentlich langsam angehen, so machte ich nach dem Mambo Kurt wieder brav Konzertpausen und begab mich auf das «Gelände» . Und dann befand ich mich plötzlich in einer Disco, welche zuerst von einem iPod-DJ geführt wurde. Kein guter DJ, aber ein Herr mit Musikgeschmack. Danach kam der Wechsel und es standen das Chicken-Voices-DJ-Team hinter dem Tisch. Jedenfalls blieb ich wohl zu lange an dieser Musikabspielbar, den die Nerven lagen irgendwann blank. So vekroch ich mich, müde und erschöpft von so vielen Eindrücken des ersten Tages in das Zelt und betete noch kurz, schlief ein und erwachte wegen 7 sehr jungen Menschen, die wohl das «Halt auf Verlangen»-Festival mit Frauenfeld oder dem Gurten verwechselten. An Pfingsten sind die Schmerzen am geringsten, sagte ich mir und drehte mich nochmals um.