Performance-Art aus Portugal und der Schweiz

Turbine Giswil, 12.09.2015: Die 14. Ausgabe der International Performance Art in Giswil nahm die Besucher dieses Jahr mit auf eine Reise durch das Portugal und die Schweiz der Performancekunst, mit dem Ziel jene in allen möglichen Formen zu pflegen … Mit dabei wie immer viele bekannte Gesichter der Kunst- und Kulturszene.

Es stellte sich eine Schar Querdenker in Giswil vor den Bahnhof und wartete auf die Ansprache der künstlerischen Leiterin Andrea Saemann, welche das zweite Mal durch das Programm führte, und auf den Marsch zur Turbine. Man kannte sich, und wenn nicht, lernte man sich unterwegs kennen. Die Künstler schwärmten wie familiär und einfach der Umgang in der ganzen Produktion sei. Die erste Performance; Maria dos Milagres aus Lissabon in einem schönen Kleid mitten im Waldweg, wo sie ihre Frisur aufband und die Zöpfe abschnitt. Dann leerte sie Wasser aus einer Muschel und ging durch die Menge. Wie sie durch die Baumallee lief in wehendem Kleid im schönen Sonnen- und Schattenspiel hätte man noch lange nachschauen können. Weiter hinten bei einer Scheune kroch man durch eine schmale Luke auf den Heuboden, wo Moritz Hossli zu den Saxophon-Klängen von Roland von Flüh faszinierende Unterwasseraufnahmen auf der Videoleinwand zeigte. Mit eigenartigen Farben und schwebenden Hölzern beschwörte er die Urtümlichkeit des Ortes auf, wo früher ein ganzer See war.

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Hinter der Turbine wetzte Bauer und Künstler Martin Blum seine Sense, packte ein und kehrte mit einem protzigen Land-Rover mitten in den Leuten und fuhr davon. Die Tat liess fiel Interpretationsfreiraum, einige dachten an die Bauern, die sagen «Zurück zur Natur», aber dann mit protzigen Karren die Stadt verstopfen. Vor der Turbine fertigte Silvia Isenschmid aus Richenthal mit einem Spaten ein Erdloch. Eine Art Entfeuchtungsgerät sollte dann das Wasser aus der Erde ziehen. Nach ihr und einer ersten Pause öffnete sich in der Halle das grosse Eingangstor der Turbine und Martin Blum kam zurück mit seinem Land Rover, fuhr in die Halle, stieg im Anzug aus und ritzte mit einem spitzen Gegenstand in die Motorhaube des Wagens, es ging ein Raunen durch die Menge, alle kamen ganz nah um zu lesen wie er «Take me to my land in your rover» schrieb, einstieg und wegfuhr, das hinterliess Eindruck. Plötzlich kamen Studierende der Hochschule Luzern Musik herein, schwarz gekleidet und trugen Steine, Bleche, Säcke, Stühle, Tische und Tücher rein und sahen aus, als wollten sie etwas aufstellen. Als es nun einigermassen stand, nahm einer den ersten Stuhl und trug ihn weiter, baute einen neuen Raum daraus mit der Geräuschkulisse der Gegenstände. Wieso ist ein Tuch nur so ruhig wenn man es schüttelt? Ihre Klangperformance «stellen, schichten, lagern» wurde ergänzt mit Lichtprojektionen. Schön war, wie sie zu Beginn nacheinander reinkamen und am Ende auf der anderen Seite die letzte Person wieder abging, ein Kommen und Gehen. Jedoch wirkte die ganze Aktion eher spannungsfahl und zusammenhangssuchend.

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Gustavo Sumpta rollte WC-Papierrollen aus wie zu einem Halbkreis aus Strahlen, das Bild lief kreuz und quer. Er war ungeheuer konzentriert, wo die Performance doch so langatmig war, dass einige den Raum verliessen. Man war froh, danach auf Julia Geröcs aus Zürich in der Mitte der Halle zu treffen, die uns eine Geschichte erzählte. Mit genauesten Bewegungen und einem Stück Stoff untermalte sie ihre Geschichte bildlich, manchmal aber auch nicht. Darin spielte sie vier Frauen, die aus ihrer Perspektive ein fürchterliches, aber auch inspirierendes Ferienerlebnis schilderten. Umrandet von einer Projektion eines Bildes, das sie währenddessen malte.

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Nach dem Nachtessen war die Sonne weg, es wurde mit Scheinwerfern gearbeitet, der Sprachakrobat Fernando Aguiar aus Lissabon war an der Reihe. Er wiederholte Worte, befasste sich mit Buchstaben und warf sie wortwörtlich in die Menge, er warf Teller zu Boden, zerschlug Gläser und den Mond hat er angemalt, das alles hat er immer angekündigt, im letzten Teil kündigte er etwas an, tat aber ganz etwas anderes. Die Besucher waren erheitert. Man kam zu Daniela Ehrsam die sich vor dem Publikum setzte und erklärte wie sie sich vorbereitet hat und wie dankbar sie wäre, dass man da sei um ihr zuzuschauen. Dann führte sie Akrobatik vor, was zwar wunderschön aussah, vor allem in dem Licht, aber einen Beigeschmack hatte von der Frage: Warum bereiten sich andere monatelang auf sich hinterfragende Performances vor und sie zeigt einfach Akrobatik? Nun wurde sie Stimmung immer makabrer. Es sprangen einzelne Farbenlichter durch die Gesichter im Dunkel der grossen Halle, dazu die groteske Stille während gewissen Performances.

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Silvia Isenschmid war zurück und leerte das Wasser dass sie aus ihrer Maschine gewann in eine Mikrowelle, schaltete an und wartete. Ganz ehrlich nimmt es uns insgeheim wahnsinnig wunder, was dann passiert! Nach zwei Minuten Dampfens der Maschine öffnete sie die Tür und herauskam viel Restdampf und nichts. Der Applaus hatte trotz der Spannung eine gewisse Ironie. Susana Chiocca aus Porto kam und sang in Unterwäsche portugiesische Lieder, während sie auf die Flagge Europas stand und dann damit den Boden putzte. Sie wickelte Knochen darin ein, brachte das Bündel zum Licht und sang zu Ende. Ein demütiger Augenblick mit einer ganz eigenen Symbolik. Zum Schluss stand zuvorderst im Dunkeln wiederum Gustavo Sumpta und riss Zigarettenpapier auseinander bei halb geöffnetem Tor, fahl beleuchtet von einer Laterne, ein wunderschön poetisches Bild. Ob die Leute dann wegen der Poesie des Augenblicks oder der Länge seiner Vorstellung eingenickt sind sei dahingestellt. In diesem Sinne war es ein sehr langer und gestreckter Tag, der halt neben ein paar wenigen Highlights auch vor allem davon lebte, wie Mitkünstler und Mitkünstlerinnen aus der Welt sich treffen und Kontakte binden, sich wiedersehen.