Ob sich der rauchende Affe ab und zu einen Espresso gönnt?

Galerie Vitrine Luzern, 04.12.2014: Aus einem White Cube wird eine Black Box: Die Galerie Vitrine stellt drei Künstler aus, die ihre Werke einprägsam in der Musikgeschichte von Rock und Punk verorten. Auch wenn die Musik an sich auf der Strecke bleibt...

Nur schon die komplett schwarze Gestaltung der Galerieräumlichkeiten zeugt von einer eher düsteren Angelegenheit. Wir haben es mit drei verschiedenen Kunstschaffenden zu tun, die mindestens eines ihrer Gliedmassen der Rock- und Punkbewegung gewidmet haben. Sei es als Musiker, Plakat- und Plattengestalter oder als intensiver Konzertbesucher. Der Inhalt der beiden grossen Schaufenstervitrinen lässt zuerst nicht vermuten, dass es sich im Innern rund um die Musik dreht. Die plastischen Arbeiten von Martin Gut (*1976) sind vielmehr rudimentäre Konstruktionen, die auf eine ironisch-skurrile Weise irritieren. Man verspürt eine gewisse Trash-Ästhetik. Das Scriptdisharmonikum steht als Schreibmaschine, bestückt mit einem Buch über Moralphilosophie, auf einem Stapel alter Zeitungen. Oder Spiel mir das Lied der Welt besteht aus einem Globus, dessen Oberfläche mittels der Nadel eines Plattenspielers verkratzt wird, währenddessen sich das Kunstwerk bewegt. Ebenfalls vorhanden ist eine – einem Keuschheitsgürtel ähnliche – Skulptur aus Blei. Das Kernstück seines Ausstellungsbeitrages bilden jedoch die überbordenden Air-Brush-Gemälde berühmter Musiker. Sechzehn Stück sind zu einer säulenartigen Installation zusammengeschraubt worden und präsentieren sich als Musikerporträt der Pop- und Rockgeschichte. Wie ein Walk of Fame vereint diese Rocksäule musikalische Grössen wie Aerosmith, Nirvana und Sex Pistols mit Aretha Franklin, Elvis Presley, Jimi Hendrix und Iggy Pop. Feingliedriges, schwarz-weisses Air-Brush dominiert den Bildinhalt, der basierend auf einer Auswahl der jeweiligen Plattencover der Musikartisten zugleich deren Antlitz integriert.

Vitrine8 Vitrine7 Vitrine3

Die Liebe zur Musik geht bei Mart Meyer (*1971) noch ein Stück weiter, nämlich indem er seine persönlichen Rockkoryphäen auf 150cm x 150cm in Öl auf Leinwand verewigt. Noch vor MTV und Youtube waren die Plattencovers der Bands die heimlichen Votivbilder einer ganzen Generation. Wer sich teure Konzertkarten oder Magazine nicht leisten konnte, stilisierte die Abbildungen auf den Plattencovers zu seinen Vorbildern. Der Betrachter wird ins Zeitalter von Vinyl zurückgeworfen, was vor allem auf Personen mit 60er- und 70er-Jahrgängen zutrifft. Man erinnert sich unweigerlich an die Zeit, als man die Plattencovers göttergleich im Teenagerzimmer aufhängte und die integrierten Songtexte rauf und runter mitsang. Dementsprechend wohl auch Mart Meyer, der neben seiner malerischen und illustratorischen Tätigkeit selbst begnadeter Gitarrist ist. Dass er ebenfalls mit dem Pinsel umgehen kann, zeigen seine in der Galerie Vitrine dicht nebeneinander und übereinander gehängten Malereien. Ohne Anspruch auf Fotorealismus, sondern auf die traditionelle Porträtmalerei rekurrierend, malt Mart Meyer eine autobiografische Auswahl seiner Lieblingsplattencovers. Dazu gehört das legendäre Highway to Hell von AC/DC ebenso wie Radio Ethiopia von Patti Smith. Mart Meyer erreicht dabei eine feine Nuance, sodass die Werke weder platt noch überkünstelt wirken. Er trifft einen Moment, wo man sich mit den abgebildeten Rockgrössen identifizieren kann, nachdem man sie jahrelang aufbewahrt hat. Mit einem breiten Grinsen lächelt Iggy Pop dem Betrachter ins Gesicht und verkörpert regelrecht den Albumtitel Lust for Life, während über ihm das Albumcover von Pink Floyds Atom Heart Mother für gewisse Irritation sorgt. Wie die Galeristin Evelyne Walker verrät, kam die abgebildete Kuh auf einer saftigen grünen Wiese kurz vor Ausstellungseröffnung per velotechnische Eilpost vom Künstler höchstpersönlich transportiert. In der ganzen Szenerie der Plattencover eine ungewohnte Darstellungsweise, mehr zeitgenössischer Auswuchs einer Landschaftsmalerei, liefert sie jedoch der geballten Ladung schwarzer Rockmusik einen auffälligen Gegensatz mit leichtem Irrwitz.

Vitrine1

Den spielerischsten Ansatz im Umgang mit Musik als Thema der bildenden Kunst hat Dirk Bonsma (*1957). Durchleuchtet man seine künstlerische Vergangenheit, fallen einem die zahlreichen Illustrationen für Plattencovers und vor allem Konzertplakate (u.a. für Boa und Sedel) für namhafte Musikgruppen auf: Young Gods, Dead Moon, The Fuzztones oder Queens of the Stone Age, um nur einige wenige zu nennen. Bonsma ist ein vielgesehener Gestalter mit eingängiger Handschrift, der dadurch einen hohen Wiedererkennungscharakter geniesst. In der aktuellen Ausstellung gibt es von ihm kleinformatige Zeichnungen zu sehen, deren Spitzfindigkeit in den Bildträgern und verwendeten Materialien zur Geltung kommt. Aufgefaltete Bouillonwürfelverpackungen sind die Basis für Mini-Zeichnungen, Tohuwabohu-Szenen und Karikatur-Kritzeleien. Bei zwei kleinen Illustrationen ist Kaffeesatz das Malmaterial, was die Arbeiten mit einer im wahrsten Sinne des Wortes Duftnote versieht. Ob sich der rauchende Affe ab und zu einen Espresso gönnt? Eine Jukebox hat es jedenfalls (noch) keine…

Vitrine4 Vitrine9 Vitrine5

Die Ausstellung ist in der Galerie Vitrine noch bis 7. Februar 2015 geöffnet. Öffnungszeiten: DI–FR, 14 bis 18.30 Uhr. SA, 12 bis 16 Uhr.