Nimm mich mit Kapitän in die Reussfähre

Zugegeben. Die Erwartungen an den gestrigen Abend in der Reussfähre waren gross. Und dies kommt nicht von ungefähr (hier kann man lesen, weshalb). Versüsst wurde er in den Anfängen von den Swinging Boys, zum Phänomen wurde er dank meinem altbekannten und heissgeliebten Freund Wurlitzer.

(Von Andrea Portmann)

Skyline. Downtown-Graffitisprayer. Leuchtendes Neongelb. So die Motive auf den T-Shirts der Swinging Boys. Eine Faust aufs Auge. Und so ziemlich das Gegenteil von dem, was sie spielten. Swinging Boys ist vermutlich eine Metapher. Ihr Repertoire beruht auf lüpfig interpretierten einschlägigen Volksliedern («Mariesli I lieb di vo härze met schmärze») und kurzen (mega) rebellischen Drummereinlagen.

Die Swinging Boys, das sind: der aufgestellte Urs Lötscher am Akkordeon (Lebensmotto: «Immer Vollgas»), Walti Brun am Saxofon und Klavier (er war gestern nicht zugegen, da er, wie seine Kollegen verlauten liessen, an einer Autorennfahrt in Dresden teilnahm - sein Motto dürfte also leicht zu erraten sein: «Immer Vollgas»), der schmunzelnde Röbi Odermatt am Saxofon, Klarinette und Klavier (Lebensmotto: «positiv!») und der gmögie Renato Koch (kein Lebensmotto, aber ein Lieblingsgetränk: «Eichhof-Bier»).

Von unserem Terrassen-Sitzplatz konnten wir (wir, das sind C.S. aus L. und ich) uns eines guten Blickes auf Urs und Röbi erfreuen, was den jungen Akkordeon-Urs sichtlich geschmeichelt und dazu veranlasst hat, uns gelegentlich verschmitzt zuzublinzeln. Als ich dann noch die Kamera aus der Tasche zückte und die beiden fotografierte, dann war (für Urs) der Fall natürlich klar. (Ich wollte eigentlich die ältere Dame mit den phänomenal toupierten blonden Haaren im Hintergrund vor die Linse kriegen). Am Tisch neben uns wurde gespiesen, lecker sah es aus, das Essen soll gut sein hier. Die pfiffigen T-Shirts der Swinging Boys entlockten auch einer eleganten Dame an diesem Tisch einen entsprechenden Kommentar: «Ech wörd dene Gäld ghä, damet sie die Hömli usziehnd.»

Gut, das kann man natürlich auch anders verstehen. Aber sei’s wie’s wolle. Der Tisch nebenan hatte Spendierhosen an und lud uns auf ne Runde ein. Derweil dudelten die Swinging Boys weiter, drinnen in der Reussfähre herrschte das Motto: Ein Tänzchen in Ehren, kann niemand verwehren. Das Mitsingen auch nicht (einige scheinen das gesamte Repertoire der Band zu kennen). Die Stimmung war ausgelassen. Das Rauschen der Reuss erquikend. Auffällig viele Mitte-50er-Frauen hatte es, allesamt pieckfein herausgeputzt (vermutlich der Fanclub) und auch einige altbekannte Gesichter.

Irgendwann gegen 10, halb 11 Uhr hiess es dann aus die Maus für die Swinging Boys, die Fenster zur Terrasse wurden geschlossen (die Nachbarn reklamieren gern) und drinnen ging’s illuster weiter. Die Reussfähre hat Charme, und dies nicht nur wegen dem riesigen Büffel über der Tür, den wunderschönen Holztischen und Stühlen, den originellen Tischgesprächen, den Bildern in der (Damen)-Toilette, sondern vor allem auch wegen der Wirtin Sabina Degiacomi-Seeberger und den Servierdüsen. Hier verweilt man gern.

Und dann, wollte ich natürlich wissen, ob meine alte Liebe zu meinem Wurlitzer noch immer in der feurigen Inbrunst brannte, wie einst. Und tatsächlich, sein Anblick entzückte mich: In lichterloher Erhabenheit stand er gelassen da und wartete, von mir gedrückt zu werden. Und ich drückte. Immer und immer wieder. Wir waren noch zu sechst, Pippo hat noch einen ausgegeben und C.S. aus L. und ich, wir haben das Tanzbein geschwungen.

Ein älterer Herr hat gemeint, ich würde ja tanzen, wie er früher (in den 60er-Jahren). Ich: «Isch das es Komplimänt?» Er: «Ech weiss ned.»