Musik im Geiste Malewitschs

Schüür, 6.3.2014: Sie kamen in Frieden, um Schweiz-exklusiv das allerneuste Album «Spectre» (das erste Studioalbum seit acht Jahren) vorzustellen. Laibach, die strittigen und umstrittenen, weil im martialischen Erscheinungsbild ambivalenten Technoisten, machten vor allem gute Musik.

War noch Karneval? Da kamen einige kostümiert ans Konzert, schwarz gewandet und mit Armbinde. Darauf das berühmte schwarze Kreuz, Laibachs Bandlogo, das von Kasimir Malewitsch Gemälde abgekupfert ist. Klar, die Anmutung ist martialisch. Auf in den Kampf! Aber es ist einer für Frieden und Freiheit. Die Bösen stehen auf der anderen Seite. Laibach sind, wie Malewitsch, auch eine Art Konstruktivisten, vom Zeitpunkt ihrer Gründung im Jahr 1980 aus betrachtet nennen sie ihr multimediales kollektives Tun Retroavantgarde. Da gehen Musik, Kunst und Politik zusammen. Die Musik entspricht live gar nicht einem Dröhne-Sound, den man vielleicht erwartet. Es ist auch angenehm laut. Gespielt wird in Quintett-Besetzung: handgemachtes Schlagzeug, Gesang, Tasten (3). Man denkt, natürlich, an Kraftwerk, die deutschen Pioniere, aber auch an Rammstein. Aber, so sagten es Laibach einst selbst, Rammstein seien Laibach für die Kleinen, Laibach dagegen Rammstein für die Erwachsenen (so wie, ein aktuelles Scherzwort, Baby Jail Schtärneföifi für Erwachsene seien und umgekehrt Schtärneföifi Baby Jail für die Kinder). Früher sagte man Techno, Industrial, so wie es in der Schweiz vergleichbar von Yello und den Young Gods gemacht wird. Metal passt kaum als Stil(mit)beschreibung, dafür hat’s eindeutig zu wenig Gitarren (nämlich gar keine). Das Konzert also. Ein Song für die Ewigkeit, oder wenigstens einer, der sich für ein paar Tage in den Gehörgängen einnistet, kaum mehr wegzubringen: Es ist die Pfeifmelodie des hymnisch-fröhlichen Marsches «The Whistleblowers» (genau: Assange und Snowden kommen im Text vor). Laibach bringen ihn erst an achter Stelle, derweil der Song das brandneue Album «Spectre» eröffnet. Das ist alles nicht Larifari-Rock’n’Roll, sondern eine Art Gesamtkunstwerk, was Laibach treiben. Also beginnt es pünktlich um 21.00. Es kommt das ganze Album an die Reihe, in quasi durchgeschüttelter Reihenfolge, später dann sogar Titel der Extended Version, Blind Lemon Jeffersons «See That My Grave Is Kept Clean» oder «Love On The Beat» (Serge Gainsbourg). Wie die erste Halbzeit um ist, gibt’s ein Intermezzo, auf Deutsch: Pause. Auf der Leinwand werden 10 Minuten rückwärts gezählt, das reicht für eine Zigi im Schüür-Garten, dann geht’s weiter mit einer Art Best-of-Programm. Die genannten Bonus-Tracks ab «Spectre» sind ebenso mit dabei wie die Dylan-Adaption «Ballad Of A Thin Man». Die Visuals zeigen found footage oder selbst Gedrehtes, Ausschnitte aus Filmen («Iron Sky», zu dem Laibach den Soundtrack beisteuerten), gespiegelte Ornamentik; wenn Typografie erscheint, ist sie zum Gesang präzis getimet. Um 22.58, von Mina Speler lediglich zu Tastenbegleitung gesungen, kommt «Across The Universe», von John Lennon einst für das Beatles-Album «Let It Be» geschrieben. Dieses wiederum haben Laibach, neckischerweise ohne den Titelsong, 1988 komplett auf einem Album interpretiert. Laibach sagen nichts, das gehört zum Konzept. Was es zu sagen gibt, ist einmal in den Songs, zum andern wird es ab Band gesprochen: «You are so great» beim offiziellen Schluss, «That’s all, folks» nach dem ersten Zugabenteil. Es gibt dann nochmal zwei Zugaben und ganz zum Schluss aufschlussreich einen Abspann mit den Songtiteln und den Namen (Band und Crew) – «THANK YOU AND GOOD NIGHT».