Monogamie – aus moralischen Gründen – ist Schwäche!

Trotz Finanzkrise und Karfreitag war gestern Abend in der Gewerbehalle die Urauführung der Cut-Up-Oper «luzern.skalpellbrücke» von und mit Pablo Haller und Hugo Bass zu sehen. Die Zuhörer erwartete ein wilder Mix aus unerhörten Metaphern, skurrilen Geschichten und minimalistischen Liedern.

Betriebe David Lynch einen wilderen Lebenswandel und weniger transzendentale Meditation, drehte er vielleicht Filme, die den Geist von «luzern.skalpellbrücke» atmen. Tut er aber nicht. Deshalb ist die Ehre, (Sprach-)Bilder in dieser düsteren Verworrenheit und intertextueller Assotiationskraft zu erschaffen, dem Luzerner Dichter Pablo Haller überlassen. «luzern.skalpellbrücke» ist eine Cut-Up-Oper, wie es der Autor nennt. Ein Langgedicht, das von Liedern, die er mit vierzehn Jahren für ein Konzeptalbum über Vladimir Nabokovs Jahrhundertroman «Lolita» geschrieben hat, unterbrochen wird. Als Leitmotive kann man Verbrechen und Strafe, sowie der konsumistische Nihilismus unserer Zeit interpretieren. Ziemlich russische Themen also. Philosophisch bewegt sich der Text – der etwa gleichermassen eine Oper ist, wie die Freischütz-Oper von Burroughs/Waits/Wilson – in der Nähe von Albert Camus und dessen Essay «die Revolte der Dandys».  Die Geschichte vom Menschen, der den als sadistisch empfundenen Gottvater entthront und sich selbst an dessen Stelle setzt, als exquisites Kunstwerk. Schliesslich vor Einsamkeit verrückt wird, vom Wahnsinn hin zum Selbstmord strauchelt. Als cineatische Einflüsse sind Rainer Werner Fassbinders Fernsehverfilmung «Berlin.Alexanderblatz» und Liliane Cavani's Nachtportier auszumachen. Des Weiteren findet man passagenweise Verwandtschaften mit den Poètes Maudits, amerikanischen Zeichentrickserien, den verschiedenen grossen -ismen (futur, dada, surreal), sowie dem literarischen Zirkel um William S. Burroughs, wobei letzeres sich vor allem in der konsequenten Anwendung der Cut-Up-Methode im Werk manifestiert. Dabei zerschnitt der Autor real existierende Bücher wie die Bibel, den Koran, die Edda, sowie Gerichtsakten von abartigen Kriminalfällen aus verschiedenen Epochen, mischte die daumengrossen Papierfetzen in einem schwarzen Zylinder wild durcheinander, zog sie heraus und klebte sie an willkürlich ausgewählten Stellen in das Gedicht hinein. Die beiden Sessel und der Stuhl als Tischchen auf der Bühne, geben dem Anlass eine ungebührende intellektuelle Würde, die jedoch spätestens endet, als Pablo Haller und Hugo Bass die Bühne ente(h)rn. Sie fahren mit den Zuhörern Achterbahn zwischen den Extremen. Mal andächtig, mal blasphemisch, mal höchst moralisch, mal völlig jenseits von allem. Dem Publikum scheints zu gefallen, jedenfalls ist es zahlreich – teilweise auch nahmhaft – erschienen und – im Gegensatz zur Lesung an der Südpol-Eröffnung, wo verstörte Politiker- und Funktionärsgattinnen fluchtartig den Saal verliessen, spätestens als Hugo Bass das inofizielle dritte Mitglied der Mannschaft, Naughty Rumbler, ins Spiel brachte – bleibt. Irgendjemand bemerkte, er fühle sich an Brecht erinnert. Das Triviale neben dem Essentiellen, das Komplexe neben dem Schlichten. Zum Bassisten Hugo Bass ist noch anzumerken, dass er als musikalische Haupttätigkeit bei der Krienser «wir spielen irgendetwas zwischen Funk und Stonerrock»-Band «pozo sin fond» basst.

Eine weitere Aufführung findet am 22.4.2009 um 19 Uhr im Buvette (Inseli) statt.