Mit vierzehn teilt man sich die Männer noch

Im Städtle ist der Deibel los: Treibhaus feiert Filme und Partys, die Schüür geht ab zu elektronischen Beats, Ellen Reksom hat Premiere ihres neusten Stücks «Godot Schiesst». Und was macht Pablo heute? Eine Ausfahrt aufs Land macht er. Ziel dieser Reise ist der Brauiturm im hohen Dorfe (Hochdorf), der seit jahren konstant mit einem ausgewogenen kulturellen Programm aufwartet. Heute liest der Journalist und Autor Erwin Koch aus seinem vor kurzem erschienen Werk «Nur Gutes».

Wetter: Stürmisch Leute: Freundlich Zustand des Kritikers: Beschwingt (von vorangegangenen Ereignissen am selben Tag)

Man darf ihn kennen. Sollte sogar. Den neuntplatzierten Kulturkopf des Jahres 2008, Erwin Koch. Autor von Büchern wie «Sara tanzt», «Vor der Tagesschau an einem späten Sonntagnachmittag» und – eben – «Nur Gutes». Nie gehört? Selber schuld!

Noch kurz etwas zur Historie des Brauiturms: Die alte Brauerei in Hochdorf wurde einst von Feldschlösschen aufgekauft, die weniger das lokale Bierbrauen als die Grundstückspekulation im Auge hatten. So wurde die Braui kurz darauf geschlossen, und die Firma versuchte das Grundstück an den Käufer zu bringen. Zeitgleich wollte die Gemeinde an einem anderen Ort ein Dorfzentrum schaffen. Vom Projekt wurde allerdings nur die Heizung (Erdsonde), über die man sepparat abstimmen durfte, angenommen – und aus vernünftigen Gründen nicht realisiert. So kam man dann also auf das Brauiareal. Der Turm wird heute rege benutzt von verschiedensten Gruppierungen (siehe später im Text).

Der Raum ist dunkel. Bloss eine Tischlampe erleuchtet den Autor, der mit ruhiger, klarer Stimme in einem angenehmen Ton den fiktiven Nachruf eines 36-jährigen Sohnes an seine am selben Tag ums Leben gekommenen Eltern liest. Die andächtig-diffuse Atmosphäre zersplittert jäh, als in der Turmstube – die jedermann mieten kann – eine Geburtstagsgesellschaft zu jodeln (!!!) beginnt. «Aues wo d'im Lääbe bruuchsch esch Liiebi...»

Der Vorleser lässt sich nicht irritieren, und das ist auch gut so. Irgendwann stoppt die «musikalische» – soweit das Gejohle von Betrunkenen diesem Wort gerecht wird – Untermalung und das Publikum kann sich wieder voll und ganz an Erwin Kochs Lippen hängen.

Zuviel über das Buch möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Nur soviel: In der auf die Lesung folgenden Fragerunde stellt sich heraus, dass es sich sanft an eine wahre Begebenheit anlehnt. Den Fall, als der Öko-Aktivist Marco Camenisch einen Grenzwächter über den Haufen schoss. Der Autor geht engagiert auf die Fragen der Zuhörer ein, wobei er auch den Titel des Buches erklärt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte es schlicht «Der Nachruf» geheissen. Leider existiert bereits ein Buch mit diesem Namen. So einigte sich der Verlag mit ihm auf ein Extrakt aus dem lateinischen Zitat «de mortuis nihil nisi bene». Über die Toten – was wohl? – nur Gutes.