Mit Newman Manet malen

Luzern, 10.6.2017: Die Galleria Edizioni Periferia zeigt an der Unterlachenstrasse zehn Gemälde von Franz Wanner. Zur Ausstellung «Giornate» ist in der verlagseigenen Reihe Minimono der gleichnamige Band erschienen.

«Kunst hat nichts mit Zeitgenossenschaft zu tun», sagt Franz Wanner im Gespräch. Sie sei eine spätestens seit den Höhlenmalereien existierende Sprache. Und als solche könne die Kunst nicht anders, als sich auf tradierte Bilder zu beziehen. Den Bruch in der Moderne, in dem Kunst sich neu erfand: gibt es nicht. Die Kunst, welche der Künstler aus der Tiefe seiner persönlichen Innenwelt schöpft: gibt es nicht. Kunst kommt von hinten aussen. In einem der Texte, die Wanner für die Ausstellung verfasst hat, zitiert er Joseph Quetglas: «Wie es [das Moderne] benennen, wenn nicht mit der Sprache der Vergangenheit? Wie es sich vorstellen, wenn nicht in bereits erlebten Bildern? […] Jedes Projekt kommt von hinten […].»

Für das, was kommt, wenn es kommt, wenn es denn überhaupt kommt – das ist auszuhalten – , hat Franz Wanner während der Zeit, in der er nicht gemalt hat, Platz und Tag freigehalten. «Giornata» heisst das Zeitfenster, in dem Kunst möglich ist. Nach fünf Jahren hat Wanner das Werk, als es kam, innert fünf Minuten gemalt. Das dürfte eine im Vergleich zu den früheren Freskenmalern eher kurze «Giornata» – italienisch für «Tagwerk» – sein, aber auch eine, deren konkrete Dauer hier nicht das relevanteste Zeitmass ist.

Kunst machen, das heisst, das Maximum wollen. Vedi e poi muori. Anstoss für die grossformatigen Gemälde, die Wanner nun ausstellt, waren zwei Farbpigmente: Türkisstein und Caput Mortuum. Farben haben eine Geschichte. Das Caput Mortuum ist, wie Wanner erzählt, das älteste künstliche Pigment, das die Alchemisten im 15. Jahrhundert als Nebenprodukt ihrer Experimente zufällig entdeckten. Mit der Benutzung des Pigments bezieht sich Wanner auf die Geschichte des Pigments, auf andere Maler, die es benutzten, auf Parmigianino, auf Barnett Newman. Damit zurück zu den Pigmenten des Anstosses: dem Türkis und dem Caput Mortuum, das Newman 1955 in «Uriel» vereinte. Wanner berührte diese Kombination als ausreichend seltsam, um sie mit Edouard Manets «Le déjeuner sur l’herbe» kombinieren zu wollen.

So oder ähnlich sind die zehn Gemälde entstanden. Sie werden in der Ausstellung und in der Publikation «Giornate» mit ihren Grunddaten präsentiert: Nummer, Datum, Technik, Masse, Vorbild. «X. 29.1.2017. Kobaltgrün-Pigmente, Quarzitsand und Acryl auf Leinwand, 210 x 134 cm. Francesco Furini, Lucia»: Auf einer türkisgrünen Fläche ist schemenhaft ein heller Rücken zu sehen. Die Figur wird einzig durch ihre lichten Partien definiert. Kehrt hier Wanner die Zeichnung um, die erste Zeichnung, die Lucia schwarz auf weiss umrissen hatte? Vielleicht hält er den gewollt zeitgenössischen Zeitgenossen so eine Art negativen Spiegel vor.

Franz Wanner, Giornate IX und III, 2017, Ausstellungsansicht Galleria Edizioni Periferia, Foto: Gianni Paravicini

Franz Wanner, Flurina und Gianni Paravicini sind Gastgeber: An den Samstagen vom 17. Juni, 1. sowie 9. September, 12 bis 17 Uhr, oder nach Vereinbarung (mail@periferia.ch). Unterlachenstrasse 12, 6005 Luzern.

Am 31. August 2017 findet um 18.30 Uhr, in Zusammenarbeit mit dem BSA Ortsgruppe Zentralschweiz, ein Gespräch mit dem Zürcher Architekten Peter Märkli und dem Künstler Franz Wanner  – «Vom Anteil der Kunst in Architektur und Malerei» – statt.