Mit dem Tod am Tisch

Edizioni Galleria Periferia, Luzern, 7. Dezember 2019: Der Kulturpreis 2019 geht an das Ehepaar Paravicini-Tönz, das seit über 30 Jahren zum kulturellen Austausch in Luzern beiträgt. Standhaftigkeit zeigten sie auch bei der Stanser Künstlerin Barbara Gut, die erst der zweiten Einladung der beiden folgte.

Sonnenlicht sticht durch die hoch oben liegenden Fenster der Galleria Periferia und wirft den Schatten der Figur «Demaskierung» scharf an die Wand. Ein nackter menschlicher Oberkörper mit goldenen Flügeln verfliesst in einen schwarzen Pferdekörper mit weissen Fesseln und rotem Schweif. Das Rot findet sich in den Federn der Maske wieder, welche die Figur mit enthüllender Gestik vom Gesicht hebt: schwarze Augenhöhlen und eine rot geschminkte breite Fratze kommen zum Hervorschein.

Barbara Gut in der Galleria Periferia

Die Figur aus Pappmaché und Gips steht auf einem Sockel mit Schachbrettmuster, das als Motiv in der Ausstellung immer wieder zu finden ist: gewinnen und verlieren, leben und sterben. Neben dieser Figur werden weitere grössere und kleinere skulpturale Installationen der Stanser Künstlerin Barbara Gut gezeigt. Sie wirken durch das grelle Licht und die hohen, weissen Wände wie ethnologische Exponate: Der Sarkophag mit leuchtenden Ornamenten und Katzenkopf oder die vielen Mischwesen, die auf Sockeln präsentiert werden. In den zum Teil kleinteiligen Installationen lassen sich allerlei Geschöpfe und spielerische Szenen entdecken. Die sorgsam arrangierten Sammelsurien hinterlassen bei den Betrachtenden ein beklemmendes Gefühl, wecken aber durch Formen und Farben eine kindliche Neugier.

Eine überfällige Anerkennung

An diesem Samstagmorgen füllen sich die beiden Showrooms schnell. Bald schon wird es eng im Korridor und die Besucher*innen bleiben im grösseren der zwei Räume stehen. Dort zündet die Künstlerin die Kerzen der Installation «Himmel auf Erden» an. Diese leiht der Ausstellung auch ihren Namen. Barbara Gut wird mit Komplimenten überhäuft. Die Ausstellung scheint zu gefallen und einige versprechen, nochmals zu kommen.

Barbara Gut in der Galleria Periferia

Die Galleria Periferia ist ein Ort, an dem konstant unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen. Sicherlich ein Grund, warum das Ehepaar Flurina und Gianni Paravicini-Tönz für ihr Engagement mit dem Kulturpreis 2019 vom Kanton Luzern ausgezeichnet worden ist.

«Ein Buch ist wie ein abgeschlossenes Werk, das bleibt und nicht am Ende einer Ausstellung wieder abgeräumt wird.»

Flurina Paravicini

Die Anerkennung war überfällig. Beide bereichern sie die Kulturszene Luzern seit über 30 Jahren mit ihrem Ausstellungsraum, im dem die Kunstschaffenden im Vordergrund stehen und vor allem mit dem Verlag, der sich auf Künstler*innenbücher spezialisiert hat. Mit der Idee und einem Konzept für ein Buch übernehmen sie oft die vermittelnde Rolle zwischen Kunstschaffenden und Kunstinstitutionen im In- und Ausland und haben sich schon ein grosses Netzwerk aufgebaut, von dem die Künstler*innen profitieren.

Abgeschlossene und verlorene Werke

Begonnen hat alles im graubündnerischen Poschiavo, wo das Ehepaar 1986 die ersten Ausstellungen organisierte. Schon damals koppelten sie diese mit anderen kulturellen Interventionen, wie Lesungen oder Konzerten. 1991 zogen sie für ihre Arbeit nach Luzern. «Zu den Büchern kamen wir wie die Jungfrau zum Kind», erzählt Flurina Paravicini lachend. Der Luzerner Künstler Anton Egloff fragte sie 1992, ob sie nicht ein Buch mit ihm machen wollten. Über 200 Bücher haben die beiden seitdem nun schon herausgegeben und ihr Fokus hat sich von den Ausstellungen auf das Verlegen von Kunstbüchern verschoben. «Ein Buch ist wie ein abgeschlossenes Werk, das bleibt und nicht am Ende einer Ausstellung wieder abgeräumt wird. Es kann in eine bibliophile Form übersetzt weiterleben», sagt Paravicini.

Flurina und Gianni Paravicini-Tönz
Flurina und Gianni Paravicini-Tönz (Bild: zVg)

In ihrem Showroom stellen nicht nur bekannte Kunstschaffende aus, sondern es werden auch neue Positionen aus dem In- und Ausland gezeigt. Wichtig ist dem Ehepaar vor allem Eigenständigkeit in Sprache und Thematik.

Das Leben als andauernder Traum

Und manchmal braucht es Geduld. So haben sie Barbara Gut schon vor einiger Zeit eingeladen, eine Ausstellung bei ihnen zu realisieren, aber die Künstlerin sei damals noch nicht so weit gewesen. Guts Arbeiten entstehen stark aus dem Moment und dem Alltag heraus und beschäftigen sich oft mit Tod und Vergänglichkeit: Für ihre Figuren verwendet sie Nachrufe von Lebensläufen aus Zeitungen, weil diese schlicht und ohne Bilder gedruckt werden.

«Manchmal denke ich, dass ich gar nicht wirklich wach bin, sondern stets träume.»

Barbara Gut

«Der Tod hat mich schon immer fasziniert. Vielleicht ist es auch eine gewisse Lebensmüdigkeit. Ich bin fast 70 und habe ein intensives Leben gelebt», die Künstlerin lässt den Blick über ihre Arbeiten schweifen. «Manchmal denke ich, dass ich gar nicht wirklich wach bin, sondern stets träume.»

Barbara Gut in der Galleria Periferia

Barbara Gut lebt mit ihrem Mann in einem alten Gadenhaus in Stans inmitten ihrer Werke auf engstem Raum. Der Garten mit dem konstanten Blühen und Verwelken inspirieren sie. Es sei schön, dass ihre Arbeiten hier in der Galleria Periferia mal atmen könnten.

Die Ausstellung in der Galleria Edizioni Periferia eröffnet eine Sicht auf Vergänglichkeiten, die aber keinesfalls nur beklemmend wirkt: Vielmehr zeigt sie die Sinneslust und das Erinnern an vergangene Geschichten und den Betrachter*innen verborgene Geheimnisse.

Himmel auf Erden
SA 14. & SA 21. Dezember, jeweils 12 bis 17 Uhr
auf Anfrage bis SO 19 Januar (mail@periferia.ch)
Edizioni Galleria Periferia

Konzert: Albin Brun & Kristina Brunner
SO 19. Januar