Mit ADS wird man entweder Künstler oder Koch (von Mörder bis 5-Sterne-Koch ist das gesamte Spektrum offen)

Bereits zum dritten Mal ging gestern in der Luzerner Loge der Text-Tiegel über die Bühne. Vier eingeladene Autoren (zusätzlich können sich zwei an der Abendkasse melden) schreiben in einer Dreiviertelstunde zu einem vom Publikum ausgewählten Thema einen Text und tragen ihn anschliessend vor. Dieses Mal dabei waren: Christoph Simon, Dari Hunziker, Tom Combo, Simon Fröhling-Kummer (wobei man bemerken darf, dass Kummer angeheiratet ist), der Master of Ceremony Tony Cardonna und Pablo Haller (im Publikum).

Für Zeiten, in denen das geschriebene Wort, ob gedruckt oder vorgetragen, eher schwierige Zeiten durchmacht – wer braucht Literatur, wenn er MusicStar/Germany's next Topmodel hat? – ist die kleine aber feine Loge vis-a-vis vom Helvetiapärkli sehr gut besucht. Sprich voll. Nach der Begrüssung des Master of Ceremony, Tony Cardonna, wurde aus drei Alltagsgegenständen (Taschenmesser, Postitch, Nagelfeile) sowie Kinderbüchern von H wie Harry Potter bis W wie Winnie the Poo vom Publikum in basisdemokratischer Art und Weise ein Thema bestimmt: Jim Knopf und der Postitch. Anschliessend schickte man die Schreibenden unter tosendem Applaus in die nahgelegene Helvatia-Bar, wo sie sich an Freigetränken gütlich tun und an ihrer themenbezogenen Schreibe feilen konnten. Derweil stellte der Moderator die Lesenden vor, unter Anderem mit Hilfe von Videos, in denen sie aus ihrem Werk lasen und Anekdoten erzählten, von denen eine wahr und die andere falsch sein sollte. Christoph Simon, dessen Vater der erste Kindergärtner im ganzen Kanton Bern war, erzählte wie er und sein Zwillingsbruder, der es leider nicht überlebt hat, nach der Geburt in einen Küderchübel geworfen wurden. Dies war sehr schockierend, berührend und traurig. Einige Zuschauer weinten spontan. Simon Fröhling, der eigentlich gar nicht wegen dem Text-Tiegel da war, sondern auf Promotion-Tournee für sein neues Theaterprojekt, das heute Abend im Kleintheater uraufgeführt wird, fand dank einem guten Freund heraus, dass die Loge Luzern die Mutter aller schwulen Fetisch-Clubs sei. Bei dieser Aussage geisterten verlegene Blicke durchs Publikum, die sich zwischen den Stühlen trafen. Nach spätnächtlichen Recherchen meinerseits irrte er sich jedoch. Dieser Club heisst Loge 70 und befindet sich ims schöne Züri. Auch nach Lieblingswerbung, Einsameinselbuch, Erstklässlergeschenkbuch, Monarchentum und Revolutionen wurden die Autoren befragt. So hätte man Tony noch gerne länger zugehört, doch leider waren die zwei mal zweiundzwanzigeinhalb Minuten um, und wir kamen zum wichtigsten Teil des Abends: der Pause. (Spontane Anmerkung während des Korrekturlesens:) Irgendwann las noch'n Slamweltmeister aus Honolulu, doch sein Name ist mir entfallen, respektive er war Unerhörbar. Dafür seine Poesie. Und wie. Hat den Saal gerockt, der Junge. Auch diese ging schnell herum und so kam es, dass die einen vorne zu lesen begannen, während andere sich in den hintersten Reihen versteckten, um – so unauffällig wie's eben ging – ihre Texte zu überarbeiten. Wer und wann auf der Bühne stand, wurde per Los entschieden. Den Beginn machte Dari Hunziker mit einem durchaus spannenden Gedichtkonstrukt über Freiheit und Wurzeln. Sie hatte den Lolitabonus und wusste, wie dieser mit Mimik und Gestik auszunutzen war. Auf sie folgte Christoph Simon, der einen Leserbrief an eine Literaturzeitschrift von einer ominösen Gabriela L. zum Besten gab, die ihn darin bat, realistisch zu erfinden und dabei eine eigene Liebesgeschichte mit einem Italiener erzählte. Simon Fröhling widmete seinen Text einer Ute, die ich weder kannte noch kenne. Er las eine Mundartnacherzählung der Abenteuer des Jim Knopf, machte eineige Schwenker aus dem Buch heraus, zu Michael Ende, der es am Schreiben war. Und Michael Ende war am.... Arsch. Darauf folgte als letzte Darbietung der Text von Tom Combo, der Jim Knopfs Leben als alkoholkranke ex-Berühmtheit beschrieb, was sehr stimmunsvoll und amüsant war. Der Kinderbuchheld als Barfly. Dann wars auch schon bald vorbei. Die Zuhörer durften ihren an der Kasse erhaltenen Fünfliber in eines der Kässeli werfen, auf denen die Namen der Autoren geschrieben standen. Wer am meisten Fünfliber hat, gewinnt. Wie im richtigen Leben. Danach gabs noch ein paar Bier, bevors zügig Richtung Bett ging – schliesslich ist ja Dienst-tag. Gewonnen hat übrigens Christoph Simon – nach drei Veranstaltungen der dritte Finalist in dessen Name Simon vorkommt. Verdächtig?

Das grosse Finale findet am 9. Juni 2009 statt. Der nächste Text-Tiegel am 7. April, u.a. mit Beat Portmann und Judith Stadlin