«Mier wend Veränderig ond Libido»

Theater Stans, 8.2.2014: Theaterkunst, Politik, Macht- und Liebesspiele verbinden sich im eigenen neuen Stück «Molière. Geschichte eines Theaterlebens» von Ueli Blum (auch Regie). In Stans wird es an der Mürg als Uraufführung gegeben. Ein munter-komödiantisches Stück von einiger Rasanz, mit Witz und Pep und nicht wenig Musik angerichtet.

Molière, eigentlich Jean-Baptiste Poquelin, 1622–1673, barocker französischer Komödiendichter und inzwischen ein Klassiker der Weltliteratur, zu seiner Zeit ein frecher Autor, von den Mächtigen (Adel, Klerus) mitunter alles andere als wohl gelitten – auch er hat einst, ursprünglich Jurist und zu anderem bestimmt, klein angefangen. Früh gründet er zwar er ein eigenes Theater, das allerdings im Zeichen finanzieller Not steht. Die Schulden, die Molière macht, bringen ihn, bis zur Zahlung einer Kaution, hinter Gitter. Molière wird Mitglied einer Theaterwandertruppe, die im Süden Frankreichs mit Commedia dell’Arte und ambulanter Bühne über die Dörfer zieht.  Bis die Berufung des Hofes ihn erreicht und König Louis XIV. ihm und seiner Truppe gar ein eigenes Theater zur Verfügung stellt.

Molière, der Künstler, führt als Komödienautor eine scharfe Klinge, der allzumenschlichen Schwächen wie dem Treiben von Mächtigen den Spiegel vorhält. Was den Oberen freilich gar nicht gefällt. Die Kunst mag zwar frei sein, bleibt den «Betroffenen» aber noch lange nicht genehm. Vor allem in Zeiten, in den etwa die Kirche noch weitgehend das Sagen hat. Das musste ja so kommen, wenn einer wie Molière mit dem Anspruch antritt, «mier wend Veränderig ond Libido». Hoppla, da ist das bigotte Weltbild der Herrschenden betüpft, es wird der Tatbestand der Gotteslästerung konstatiert, da geht es dem lieben Molière schon mal an den Kragen. Molière, das ist, auf der privaten Ebene, auch der Ladykiller (Weiberheld). Molière, der Mann, ist eben auch nur Mensch. Amouröse Verwicklungen gibt’s unter anderem mit seiner angebeteten Schaupielkollegin Madeleine Béjart wie mit  dessen Tochter Armande, die er ehelicht. Im Stanser «Molière» von Ueli Blum übernehmen 20 Spielende fast drei dutzend Rollen. Die Figuren im treppenartigen reduzierten, gräulichen Bühnenbild von Heini Gut sind in Kostüme (Janina Ammon) von dezenter Buntheit gekleidet, nicht historisierend, sondern an Barockes angelehnt, die Damen in Rockvariationen, die Herren in Hochwasserhosen und abgesägten Jackett-Ärmeln. Dazwischen natürlich Pomp mit gewisser Grellheit, allen voran «Strahlemann» Louis XIV., der einen ziemlich durchgeknallten Eindruck macht als allmachtsfantasierender, absolutistischer Regent, der den Hof von Versailles zur Show-Bühne umgestaltete, Molières Theaterkunst einerseits fördert, andererseits aber auch wieder verbieten lassen kann. Eine irgendwie jenseitige Gestalt, gottgleich und abgehoben, in seinem Selbstverständnis aber dies: «zom Griife noch ond doch unantastbar». Louis’ Mutter Anna von Österreich ist so pompös aufgebrezelt, dass ihr Erscheinen prompt einen Szenenapplaus zeitigt. Sie ist es auch, die ihrem Sonnenkönig-Sohn bezüglich dessen Theaterengagement einmal die Alternativen aufzeigt: «Louis, entweder Molière oder Chrieg mit em höchschte Klerus». Wie soll das alles enden? Nicht gut. Vom einstigen Glanz, von der grossen Anerkennung, vom künstlerischen Lebenssaft bleibt am Ende nicht mehr viel.  Da nützt auch ein wunderschöner Schlusschor nichts. Ihm vorausgegangen ist nämlich ein beängstigender Totentanz.

Apropos Tanz und aber auch Musik: «Molière» ist immer wieder auch «Bewegungstheater» über eigentliche Tanzszenen hinaus. Die Sparte Choreografie (Mariana Coviello) hat so keinen geringen Anteil an dieser Inszenierung. Und erst die Musik: Barock-Höfisches klingt da immer wieder trefflich an, angewandte Theatermusik aus der alten Zeit ins Heute hinübergebracht, ebenso wie verfremdendes Pianospiel von einiger Quirligkeit, wenn hier stilistisch auf Boogie, Swing oder Ragtime zurückgegriffen wird. An den Tasten praktiziert wird es live von Christov Rolla, der auch gleich Molières Haustheatermusiker Jean-Baptiste Lully spielt und sich zum Schluss gar eine E-Gitarre umhängt.

Molière. Geschichte eines Theaterlebens. Theater Stans, bis 12.4. Regie: Ueli Blum; Stück: Ueli Blum; Bühnenbild: Heini Gut; Kostüme: Janina Ammon; Musikalische Leitung, Komposition: Christov Rolla; Choreografie: Mariana Coviello; Lichtdesign: Martin Brun