Mensch, Kurzfilmnacht!

Kino Bourbaki und Stattkino, 28.04.2017: Wo Grossmütter sterben, Bäume fallen, Pornos synchronisiert werden, Flüchtlinge im Meer ertrinken und dazu Bier und Wein getrunken wird. Die Kurzfilmnacht 2017 zeigte Geschichten des Lebens.

 

«Uhu! Er lebt no. Hä. Oioioi.»

Ins Holz

Kälte, Schneefall, Stille – dann Motorenlärm. Die Flösserei war ein Ding des mühseligen, unmotorisierten vorletzten Jahrhunderts. Nicht so am Ägerisee, wo noch heute, etwa alle vier Jahre, geschlagenes Holz geflösst wird. Die Tradition, mittlerweile ein Kulturgut, wird aufrechterhalten und nicht durch den Hubschraubereinsatz ersetzt.

Es ist die Nähe zum Leben, den grundlegendsten Emotionen und ihren Kontrasten, die den Kurzfilm «Ins Holz» so spannend machen. Die Arbeit im Wald ist keine ferne, theoretisch-abstrakte. Den Zuschauer überkommt das Gefühl, die Kälte, die harte Arbeit und das Knorren der Bäume hautnah mitzuerleben. Durch die vielen, meist statischen Nahaufnahmen findet sich der Zuschauer mitten ins Geschehen versetzt. Die schwarz-weisse Waldeinöde wirkt dabei zugleich bedrohlich und wunderschön. Perfekt in diese Kulisse passen die Protagonisten, die Forstarbeiter, die zur Mittagspause Grilliertes mit Chips, und nicht Quinoa-Samen essen. Bodenständiges Handwerk eben. Mit tosendem Krachen stürzen die gefällten Bäume. Die abgerundeten Stämme brausen den steilen Berghang hinunter in den See, wo sie die Flösser zusammenbinden. Es folgen beeindruckende Aufnahmen am und auf dem Ägerisee. Der Film von Thomas Horat und Corina Schwingruber Ilić war der Eröffnungsfilm an der Luzerner Kurzfilmnacht und ihr Juwel, er war verdichtet wie ein Gedicht, zeigte nur, was zu sehen wichtig war. Handlung, Aussage, Protagonisten und Umsetzung sprachen eine zusammenhängende Sprache. Ein Film, der lange im Gedächtnis bleiben wird und der erfreulich stimmt, in Anbetracht dessen, mit welcher Qualität und Kreativität in nächster Nähe Film geschaffen wird.

 

«Es het gmönschelet ade Chorzfelmnacht»

Clumsy Little Acts of Tenderness

Der Fokus der Kurzfilmnacht 2017 lag auf dem Thema «Mensch»  mit Geschichten aus Frankreich, von Familien und von Sex. Obwohl dieses, meist verbunden mit Lokalkolorit, das Publikum seit Jahren zu begeistern scheint, gilt es dennoch festzustellen, dass an dieser Nacht die sehr kurzen und abstrakten Filme beinahe gänzlich fehlten, die in vergangenen Jahren für Abwechslung sorgten. So hat das Programm vom Publikum nicht wenig Sitzvermögen verlangt, besonders, wenn Zuschauer bis ganz am Schluss blieben. Zum ersten Mal war das Programm im Stattkino und Bourbaki dasselbe, weshalb man nicht wie früher aussuchen konnte, welchen Teil man lieber sehen möchte.

Und trotzdem ist den Organisatoren einmal mehr ein stimmiges und eigenständiges Programm gelungen. Die einzelnen Filme sind äusserst sorgfältig aufeinander abgestimmt und wirken zu keinem Zeitpunkt deplatziert. Es ist auch das vierte, fünfte und sechste Mal noch immer ein Erlebnis, eine ganze Nacht dem Thema Kurzfilm zu widmen und mit Freunden zu geniessen. Gerade auch deshalb, weil man die poetische Form des Films im Alltag nur selten sieht.