Melodien der Freundschaft

Schüür, 26.4.2016: Nonkeen. Das sind drei alte Jugendfreunde, die vor kurzem ihr erstes Album veröffentlicht haben. Einen der drei — Nils Frahm — kennt man schon länger. Die Wurzeln der Band liegen jedoch um einiges tiefer als das Solo-Programm ihres Pianisten. Doch weshalb hören wir erst jetzt von Nonkeen?

Eine beachtliche Menge an Zuhörerschaft hat sich am heutigen Dienstagabend in der Schüür versammelt. Vielleicht wäre sie bereits vor mehreren Jahren gekommen, hätten die Jungs von Nonkeen – Frederic Gmeiner, Sebastian Singwald und Nils Frahm – ihr Bandprojekt 1997 nicht auf Eis gelegt. Die drei kennen sich nämlich schon von klein auf: Aus einer geteilten Begeisterung für Radiogeräte entwickelt sich zwischen Nils, Frederic und Sebastian eine enge Freundschaft – und später ein Musik.

Photocredit: Studio Spektral

Nach dem Mauerfall folgt ein erstes Engagement: Für mehrere Wochen dürfen die drei Musiker einen Festplatz in Berlin Plänterwald bespielen. Alles schön und gut, würden eines Tages nicht zwei Jugendliche aus einem abgerissen Karussell herausfallen und während des Konzertes auf die Instrumente klatschen. Als die Ambulanz die Verletzten abtransportiert, lassen die drei Freunde ihre kaputten Instrumente zurück und beschliessen mit der gemeinsamen Musik aufzuhören. Erst bei einer trinkfreudigen Zusammenkunft vor acht Jahren vereint sich das Trio wieder und beginnt an einem Album zu arbeiten. Das erste Konzert der The Gamble-Tour, anfangs April in Berlin, ist ausverkauft. Jegliche Gespräche verstummen, als beim unterdessen elften Auftritt der Band die ersten Töne erklingen. Man kann sie förmlich hören, diese Stille, denn die Klänge sind noch fein. Sanft bahnen sie sich ihre Wege durch die Geräuschlosigkeit. Es scheint, als würden die Akteure ihre instrumentale Palette erst einmal vereinzelt präsentieren wollen. Bass, Schlagzeug, E-Drums und Müllsack (symbolhaft für die Meeresverschmutzung, wie man später erfährt) bilden den Teppich für die Entfaltung der Pianomelodie von Frahm. Dieser Teppich ist jedoch keineswegs subsidiär. Jedes Instrument ist klar wahrnehmbar, keines sticht hervor oder stiehlt einem anderen die Show. Ausser der Müllsack geht vielleicht etwas unter. Gibt Schlimmeres.

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Man geniesst diese klangliche Klarheit, freut sich gleichzeitig auf die kraftvolleren Stücke. Diese folgen, unter anderem auf etwas ungewohnte Art und Weise: via Plattenspieler. Was tun, wenn ein Track live nicht ganz so hinhaut? Nonkeens Rezept: Die eigene Platte in den Plattenspieler legen, diesen Track einstellen, Nadel drauf, Getränke verteilen und selber feiern. Warum nicht, zumal «chasing god through palmyra» wirklich hörenswert und wohl auch das «klubhafteste» Stück auf The Gamble ist.

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Spätestens in dieser Szene kommt die Verbundenheit zwischen den drei Musikern zum Vorschein. Da werden die Arme um die Schultern gelegt, es wird getanzt, hin- und hergewippt und herumgealbert. Aber Moment mal, da ist ja noch jemand Viertes auf der Bühne? Dieses vierte (Halb-)Bandmitglied ist der italienische Schlagzeuger und Komponist Andrea Belfi. Seine teilweise improvisierten Passagen auf Schlagzeug sowie E-Drums tragen einen nicht unwichtigen Teil zum Klangbild von Nonkeen bei und sind ebenfalls auf der Platte vertreten. Zurück zu den robusteren Rhythmen der zweiten Konzerthälfte. Einen Teppich gibt es nicht mehr. Stattdessen wird übereinanderer gespielt — schneller, lauter, eigenwilliger. Es scheint, als würde sich jedes Instrument einen eigenen Weg bahnen. Im Gesamten entsteht dennoch ein einheitliches Klanggemälde. Mal meint man jazzige Akzente herauszuhören, dann wird plötzlich nur noch getrommelt, bis eine feine Klaviermelodie den Lead übernimmt, um sogleich wieder mit allen anderen Instrumenten zu fusionieren. Es ist ein schweres, unberechenbares Gefüge, lässt einen nicht eintauchen, vielmehr bohrt es sich tief in die Brust. Insbesonders während dieser Stücke wird eine vollkommene Hingabe der Musiker sichtbar. Als gäbe es nur sie und ihre Instrumentenwelt. Mit dem Rücken zum Publikum nehmen sie sich dieser an. Dass der Begriff «Welt» nicht zu weit gegriffen ist, bezeugen die folgenden Bilder.

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Niemand fällt auf die Bühne, das Gehörte kommt gut an (leicht besser in der zweiten Konzerthälfte), die Künstler sind sympathisch – ein rundum gelungener Konzertabend also. Bis auf den Heimweg. Da hört man nur noch den Regen plätschern. [youtube]https://www.youtube.com/watch?v=NWxZSDrVs68[/youtube]