Maxens Bilder-Blues oder Das Leben, abgelauscht

Kleintheater Luzern, 9.3.2016: Blues Max aus Züri verrät in seinem neuen Programm, wie bei ihm das Kino in den Kopf kommt. Sodass er dann seine musikkabarettistischen Nummern bringen kann, die seiner wachen Beobachtung geschuldet sind. Man muss nur genau zuhören und -schauen, dem, was einem in der Welt an Wunderlichem begegnet. Grosse Kleinkunst.

Blues Max (the artist formerly known as Werner Widmer) hat eine kabellose Stromgitarre mitgebracht sowie zwei akustische, davon eine in offener Stimmung (auch zum Sliden). So bringt er zu solid-filigranem Fingerpicking den Blues, Musik, auf deren Boden er erzählen kann. Oder er tut es instrumentenfrei im Stehen und einmal auch im Sitzen. Was sind das für Geschichten? «Kino im Kopf» heisst das Programm, in dem es fast schon meta-mässig darum geht, wie Max zu seinen Storys kommt. Verraten wird: Es ist dem Alltag abgelauscht, wirklich wahr, so schräg und manchmal aberwitzig es sich auch anhört. Dazu darf er, künstlerische Freiheit, überhöhen/-treiben, aus- und abschweifen sowie aber auch selbstverständlich fantasieren.

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Blues im Fall, das ist unter anderem, «wenn etwas so schön ist, dass schon wieder weh tut», erst recht dann, wenn das Bewusstsein da ist, dass der Augenblick nicht dauern darf. Melancholisch grundiert wie das ganze Programm ist alles eh. Blues Max stellt sich im Leben und dann auf der Bühne vor, wie Menschen, die er sieht, als Speise sein könnten. Den physiologisch etwas unvorteilhaft Joggenden mit den pinken Nike-Schuhen ein «wandelndes Rollschinkli», die zum gegensätzlichen Paar gehörige Dame von schlanker Gestalt «ein Stangensellerie». Der Bundesrat kommt auch dran, wobei schön formuliert in Maxens Kopf ein Schneider-Ammann (der Lustige mit den Kranken) zum Brot wird, genauer: «ein dunkler Zweipfünder nach drei Tagen». Blues Max spielt die Akkorde von George Harrisons «Here Comes The Sun» (auf «Abbey Road») und verwandelt den Text zu «Jetzt chunnt der Gian». Gian wäre der Held in einem Film, den er machen möchte. Er hat erst Skizzen, doch es wird im Folgenden eine Art roter Faden. Mit zum Beispiel jener Geschichte von der Projektwoche im Bündnerland, wo drei Schüler mit Migrationshintergrund ihre Forschungsaufgabe kiffend am Weiher unten lösen und zur mit einem Fünfeinhalber belohnten Erkenntnis kommen: «Vogel cha voll flüge.» Nicht Film, aber Fernsehen: Blues Max kennt die Situation, wenn am Sonntagabend ein Graben im Extremfall durchs Sofa geht: «Tatort» versus «Rosamunde Pilcher». Messerscharf analysiert er das Erzählmuster der verfilmten Kitschromanreihe, wo unter anderem ein Gesetz lautet: Der mit dem beigen Zopfmusterpulli bleibt nicht ledig. Von der TV-Wirklichkeit zum richtigen Leben, das manchmal falsch sein kann: Blues Max hat es abgelauscht, tatsächlich und wirklich wahr, was sich im Fall von zwei Frauen hinter der Theke im «Migrolino» am Sonntagmorgen in der Provinz (Amriswil, nach einem Gig) dialogisch ereignete, in seiner fast schon avantgardelyrischen Höhe Alltagspoesie vom Feinsten. Der Dialog über die jeweiligen Männer daheim in 9 und 5 Wörtern geht so: Frau 1: «Und dänn seit er amigs wieder immer nie nüd.» Frau 2: «Ja min immer au nie.» Immer wieder auch mal ein Lied zum oft Getalkten. Wunderbar «Was macht de Fischer im Teich?» oder jenes vom «nationalen Bruuch», typisch Schweiz, was sich reimt auf: «eine git Gas und zwei stönd ufem Schluuch».

Blues Max: «Kino im Kopf» Weiter Vorstellungen: Kleintheater Luzern, Fr/Sa, 11./12.3., 20 Uhr