Männer am See

Ein kleines Openair direkt am See, mit fairen Preisen, interessantem Lineup und feinen Älplermagronen: Wir sprechen vom Lakeside-Festival in Hergiswil. Am Donnerstag gab's Reggae, am Freitag viel Elektronik.

Mitten in Hergiswil auf einer Wiese direkt am See mit herrlicher Aussicht auf die nahen Berge: Das Lakeside-Festival hat sicherlich eine der schönsten Plätze der Zentralschweizer Openairs. Vergleichbar nur mit dem B-Sides (ich kann's einfach nicht lassen, bei jedem Openair das B-Sides erwähnen zu müssen – selbst schuld, wenn sie's so gut machen). Aber man wünschte sich fürs Lakeside etwas mehr von der Liebe, die die B-Sides-Macher jeweils in die Gestaltung des Geländes stecken. Was auf dem Sonnenberg beeindruckende Holzkonstruktionen mit verwunschenen Malereien, sind beim Lakeside gewöhnliche Metallgerüste überzogen mit Plastik und Werbebannern. Da wurde aus der mehr als herrlichen Ausgangslage nicht das Optimum herausgeholt. Nun aber zur Musik. Der Donnerstag... ... begann mit den Engelbergern – also quasi Einheimischen – Al-Berto & The Fried Bikinis. Die Musik, resp. der Sänger (sehr wahrscheinlich beides) sind merklich von der Surf-Subkultur beeinflusst. Gutgelaunt und rhythmisch tanzbar kommen die Nummern daher – einzuordnen irgendwo zwischen G. Love & Special Sauce und Jack Johnson. Oft Off-Beats, kurze flockige Rapeinlagen und gekonnte Gitarren-Verzierungen. Leider entwickelte das Dargebotene aber kaum je einen eigenen musikalischen Charakter, zu sehr hörte man die jeweiligen musikalischen Referenzen heraus. Und leider hatte auch Al-Bertos Stimme nicht die nötige Durchschlagskraft und ging in den Tiefen verloren. Noch spärlicher instrument war die folgende Combo, aber was für eine Wucht! Drum, Perkussion, Bass und Ukulelen-ähnliches Instrument, dazu Stimmen. Der Mann aus der Karibik nennt sich Wally Warning und bot eine Show, der man sich nur schwerlich entziehen konnte (wollte man ja ehrlich gesagt auch nicht). Doch, doch, ihr kennt ihn, hört nur mal «No Monkey» an. Eben, und so ging es Vielen am Lakeside. «Aaah, der ist das!» Das Gelände hatte sich gefüllt, die Meute tanzte. Die Musik: Viele Afrika-Reggae (zwei Bandmitglieder stammen aus Ghana), Soul und Karibik-Sound. Er selbst reduziert seine Einflüsse auf seiner Myspace-Seite auf «Otis Redding».

Zur Primetime kam das Schweizer Aushängeschild der Dancehall-Szene, der Zürcher Elijah mit seinen Dubby Conquerors. Ist natürlich angenehm, wenn man die Botschaften des Sängers versteht – nicht dass es ansonsten langweilig wär, aber die Musik hat halt schon etwas Repetitives. Beeindruckend wie die Band Haken um Haken schlug, vom einen Rhythmus aprupt in den nächsten wechselte und Elijah sein Zürideutsch in die Grooves packt, als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre. Die warme Sommernacht in Hergiswil hatte energiemässig den Höhepunkt erreicht, kein Bein blieb mehr steif. Um Mitternacht war dann aus die Maus – die Hergiswiler brauchen ihren Schlaf. Am Freitag... ... waren auffällig viele Luzerner anzutreffen, was einerseits daran liegt, dass Hergiswil in bequemer Velodistanz liegt, andererseits Marygold den Abend eröffneten. Ohne Pianistin Bernadette Soder, dafür mit einem Gastauftritt von Bianca-Story-Sängerin Anna Waibel. Über Marygold haben wir schon oft berichtet, hier und hier oder hier. Daher nur soviel: Ich hätte Burrell und Co. lieber später am Abend gesehen. Und im Vergleich zur ihrer CD-Taufe im Februar hat die Band hörbar an Liveerfahrung gewonnen.

Es folgten die Basler The Bianca Story. Eine verrückte Bande, produzieren Videoclips am Laufmeter und versteigern die einzige Pressung ihres Albums «Unique Copy Album» für über 10 000 Franken. Es ist nicht die Neuerfindung des Pops, doch wie sie ihren wavigen Elektro ans Publikum bringen, hat schon Klasse. Viel Inszenierung und Show, aber es passt. Und was sie machen, das machen sie mit einer schieren Intensität – von den Posen bis zu den Synthieeinlagen. Und in manchen Momenten, gegen Ende des Sets, hatten sie extrem schöne Momente – Songs mit reichlich Pathos, mehrstimmigem Gesang und dicken Synthesizern. Gnadenlos ins Reich der Beats entführten danach One Shot Orchestra. Aus Berlin und Bern stammen die drei Herren, spielen Schlagzeug, Bass, Gitarre, Synthies und allerlei Anderes – zusammen ergibt das eine explosive und sehr tanzbare Mischung. Seit Neuem zeichnet sich das One Shot Orchestra auch verantwortlich für die Begleitung von Kutti MC (am 3. Oktober im Südpol). Doch man kann nicht sagen, dass am Lakeside eine Stimme gefehlt hätte. Von sphärisch-verträumten Einlagen bis hin zu regelrechten Synthie-Rock-Nummern spielten die drei Herren ein zu keinem Moment langweiliges oder lahmendes Konzert. Die Party am Freitagabend war definitiv eröffnet.

Lakeside-Festival in Hergiswil: Noch heute SA, u.a. mit 7 Dollar Taxi und Art Brut.