Luzern bucht, singt, tanzt... und trinkt – des Lustspiels zweiter Teil

So gings dann weiter nach dem Literaturfest im Kleintheater. Bis an die Baselstrasse führte mich mein Weg, ans Konzert der Leberhauer-Band, später ins Bourbaki zu Bianca Story.

Als ich die gut gefüllte Gewerbehalle betrete, spielt die Band des Luzerner Sängers Michael Lehrerbauer bereits den ersten Song, «du wersch mech verloh». In seinem roten Flamencohemd mit Rüschchen erinnert mich der Sänger auf den ersten Augenblick an irgendwen, den ich vergessen habe. Aber es gab ihn. Glaub ich jedenfalls. Ich lasse mir die originelle Myspace-Beschreibung durch den Kopf gehen, die ich an diesem Ort gern platzieren und auf Ehrlichkeit prüfen würde. Tu ich auch. Leberhauer spielt frisch von der Leber weg, und berichtet über Psychosen, Spechte und andere Kopfzerbrüche. Vieles wird dargelegt, hinterfragt, umgedreht oder klargestellt. Stilistisch kunterbunt, auf Mundart und Deutsch, mal energisch dann wieder gezähmt, ob ironisch oder ernst – Stücke, die bewegen, Stücke zum Zuhören und Tanzen. Wer den Texten folgt, wird bedient, wer der Musik Gehör schenkt, ebenso. Leberhauer spielt nicht nur Stücke, sie spielen mit den Stücken. Die Leber ist ungerecht. Behauptung 1: Leberhauer spielt frisch von der Leber weg. – Ja, so macht es den Eindruck. Dahinter jedoch, hat man das Gefühl, dass jahrelanges Üben und Experimentieren steckt. Dieses Können kann nicht angeboren sein. Das wäre über-, äh, unmenschlich. Behauptung 2: ...berichtet über Psychosen, Spechte und andere Kopfzerbrüche. Vieles wird dargelegt, hinterfragt, umgedreht oder klargestellt. – Daneben aber auch erstaunlich oft über Fäkalien, sonstige Körperflüssigkeiten, Väter denen die Drogen nicht einfahren und Liebesgeschichten über Yvonne (Estermann? – ach nö, die heisst ja Yvette. Schade.). Umdrehungen gab es viele. Die Hinterfragungen, vor allem aber die Klarstellungen muss mir noch jemand erklären. Und eigentlich: Ist auf dieser Welt überhaupt irgendetwas klar? Behauptung 3: Stilistisch kunterbunt, auf Mundart und Deutsch, mal energisch dann wieder gezähmt, ob ironisch oder ernst – Stücke, die bewegen – Na ja. Bewegt hat sich ausser den Herzen und hoffentlich auch der Rädchen in den mechanischen Hirnen nicht sooo wahnsinnig viel und der Frontmann ist sogar in seinen zahmsten Momenten noch wild. Stilistisch kunterbunt ist der Sound allerdings. Die Musiker sind klasse Musiker. Jazzstudenten wie Leherbauer? Könnte gut sein. Aber was lesen wir denn da? «Ob ironisch und ernst.» Ernst??? Behauptung 4: Wer den Texten folgt, wird bedient, wer der Musik Gehör schenkt ebenso. Leberhauer spielt nicht nur Stücke, sie spielen mit den Stücken. – Rrright! Texte und Musik gehen auf hohem Niveau eine Symbiose ein. Die lyrischen Ergüsse sind nicht alle von der Band selbst. Einige stammen von Beat Portmann – ja, der Literat – andere aus Aufsätzen von Primarschülern. Das sie mit den Stücken spielen ist eine Tatsache, weshalb sie es jedoch immer wieder mit den Selben tun, an diesem Abend bleibt mir ein Enigma. Behauptung 5: Die Leber ist ungerecht. – Wer Recht hat, hat Recht. Meine sticht. Gegen Ende ziehe ich dann weiter, vorbei am Knast mit den herumlungernden Hiphop-Kindern, ins Bourbaki zur tanzenden Indie-Jugend. Tim und Puma Mimi hab ich leider schon verpasst, für die Basler von Bianca Story, reichts noch. Die machen irgendwie Spass mit ihrem Elektro-Indie, sind jedoch nicht halb so originell wie der Leberhauer. Und überhaupt: Warum spielen sich in letzter Zeit so viele Bands diesen Elektro-Indie-Sound nach? Das Publikum antwortet mir mit seiner Begeisterung für die Band, die Musik, den Sänger. Also jetzt nichts falsch verstehen. Die Band ist wirklich gut und die Leute haben grossen Spass. Getanzt wird zwar auch erst gegen Schluss des Konzerts, dann jedoch richtig. Warum finden im Bourbaki überhaupt Konzerte statt? Die Antwort kommt vom KKL herübergeweht. Das von Jean Nouvel in einem Zimmer des Montana Hotels entworfene Gebäude beherbergt die Gala zur Verleihung des Schweizerischen Filmpreises. Die offizielle Party steigt im Schweizerhof nur für geladene Gäste. Die Inoffizielle im Bourbaki für jedermann. Dies ist die zweite adäquate Reaktion auf elitäre Anlässe. Die erste wäre gewesen – auch im Andenken an den huntertjährigen Geburtstag der Bewegung – in Anlehnung an den Futurismus den Teich vor dem Löwendenkmal rot einzufärben. Mehr dazu hier. Die DJs im Anschluss, Prince White vs. Mortal Q, sind too much für mich. Diesem Sound halte ich nicht mehr stand und verschwinde in einer Wolke aus Rauch und Schwefel.