«Luzern bucht», Klappe die 30.

Luzern, 21.03.14: Das Literaturfest «Luzern bucht» geht bereits in die 30. Runde. Während vier Tagen finden diverse Veranstaltungen rund um Wörter, Texte, Bücher und deren Schreiberlinge und Verlage statt. Die Redaktion hat sich auf dem Jubiläumsfest beim Buchmarkt in der Kornschütte umgesehen und einige Eindrücke zu den Lesungen verschiedener Innerschweizer Autoren gesammelt. Besonders schöne, rare oder sonst irgendwie auffällige Körner hat sie dabei herausgepickt und hier zusammengestellt.

(Von Juliette Weiss und Katharina Wolf)

Zum Auftakt der Jubiläumsfeier blickte der Mitbegründer des Literaturfests Beat Achermann noch einmal auf die Anfänge im Jahre 1985 zurück. In nostalgischer Erinnerung schwelgend, als die Veranstaltung damals noch im Hotel Eden bestritten wurde, resümiert er: Zwar habe sich seit diesen Zeiten vieles verändert – da gab’s noch Gorbatschow als Generalsekretär und nun…, «das Hallenbad ist jetzt nicht mehr mit Wasser gefüllt, sondern mit Kultur» und «Bücher gibt es nicht mehr nur auf Papier» usw. Die Literaturbegeisterung sei allerdings geblieben und «Luzern bucht» als alljährlicher Fixpunkt nicht mehr aus dem Kulturleben der Stadt wegzudenken. Und in der Tat, die Besucher scheinen ihm Recht zu geben. Die Kornschütte freut sich an diesem Abend über reichlich Zulauf. Die Kombination von Buchmesse mit integrierten Lesungen oder Gesprächen auf dem Sofa scheint als Konzept Anklang zu finden. Allerdings dürfte man sich für das nächste Mal nochmals ein paar Gedanken über die akustischen Voraussetzungen für Leser und Zuhörer machen. Nicht jedermann und jedefrau besitzt leider eine solch dröhnende Stimme, mit welcher der gewohnt fabelhaft moderierende Max Christian Graeff auch an diesem Abend die Trommelfälle zum Räsonieren brachte. Der mehr oder weniger schlecht abgetrennte Raum für die Lesungen, bereitete den Autoren nämlich einige Schwierigkeiten, den Lärm des Buchmarktgetriebes zu überwinden, um bis zu den Ohren des Publikums durchzudringen. Erfreulich hingegen war die gebotene Vielfalt der Lesungen. Zwar wurde das Motto der Mehrsprachigkeit, unter welchem das diesjährige Literaturfest auch stehen soll, hinsichtlich des Fremdsprachenspektrums während den Vorträgen der neun Innerschweizer Schriftsteller/innen weniger bedient. Jedoch konnten die Autoren/innen - aus verschiedenen Kontexten, Generationen, Regionen und Stilrichtungen herkommend – an diesem Jubiläumsfest in ihrer Kombination mit einem überraschend vielschichtigen Mix von Textgattungen auftrumpfen. Mit Vorgetragenem aus Romanen wie zum Beispiel jenem von Andreas Grosz, in dem es um die Tabuthematik des Pädophilievorwurfs geht, über amüsante Kolumnen etwa zu alltäglich weiblichen Gewichtssorgen von Blanca Imboden, bis hin zu den Auftritten der jungen Lokalmatadoren Beat Portmann und Pablo Haller, die mit ihren gelesenen Auszügen die Ufer der konventionellen Prosa verliessen, war ganz bestimmt für genügend Abwechslung gesorgt. Pablo Haller beeindruckte mit Inhalt und Form seiner Texte sowie durch sein Auftreten. Er ist vielleicht eine der wenigen Stimmen in der Schweiz, die der Komplexität von Problemen der heutigen Generation von jungen Menschen eine stringente literarische Form zu geben vermag - gerade, indem er seine Lesungen szenisch gestaltet, als eine Art collagenartige Performance inszeniert. Themen wie die «Revolution am Fernseh», Selbstbehauptung durch Betäubung, Sinnentleerung oder -auffüllung lässt der 25 Jährige zu Texten zusammenlaufen, die einen eigendynamischen Sog entwickeln. Eben: «Essenz destilliere us Frässzädle». Auch in der darauffolgenden zweiten Pause konnte wieder den traditionellen Tönen der Gipsy-Swing-Formation „Piri Piri“ gelauscht werden. Die südlich assoziierenden Melodien, Balladen sowie der unterschwellige Blues lockerten das dichte Programm des Jubiläumsfests nicht nur auf, sondern versetzten die Besucher geradezu in ungezwungene Stimmung, so dass gerne noch zu einem zweiten oder dritten Glas gegriffen wurde, bevor Anja Siouda die Lesung fortsetzte. Dessen Liebe zur Binarität scheint auch auf ihr schriftstellerisches Werk übergegriffen zu sein. So überraschte es nicht, dass auf das Buch «Steine auf dem Weg zum Pass» der Fortsetzungsroman «Ein arabischer Sommer»folgte, aus welchem dem Publikum ein Textauszug vorgetragen wurde. Migration und Menschlichkeit waren dabei Gegenstand ihrer Lesung. Weitergeführt wurde das Thema der Herkunft durch Heinz Stalder, der in seinem neusten Roman «Krummen» ein Bild der Schweiz als Verdingsituation der Knechte zeigte. Landschaft und Menschen wurden mit präzisem Realismus beschrieben, wobei Bezüge zu Jeremias Gotthelf festgemacht werden konnten. Die dunkle und erdige Stimme assoziierte eine ländliche Atmosphäre, jedoch ohne einen Hauch von Idylle hervorzurufen. Die Lesungen des Jubiläumsfests wurden schliesslich durch Gisela Widmer abgerundet; wo Kurzgeschichten als Denkanstösse fungierten, in denen sich Wahrheiten über Beziehungsmuster, Liebe und Zeit wiederfanden. Prägnant und mit einem Augenzwinkern wurde das Publikum so zur Selbstreflexion bewogen. Noch bis diesen Sonntag, den 23. März 2014, ist das Literaturerlebnis «Luzern bucht» zu geniessen. Zu jeder vollen Stunde wird dann das literarische Sofa in der Kornschütte Platz für einen der geladenen Gäste bieten, wo gemeinsam mit dem Publikum über Literatur, Sprache und Bücher gelesen, gesprochen und sinniert werden kann. Der Buchmarkt ist durchgehend bis 17. 00 Uhr geöffnet. Ausgelassenes Stöbern und Kaufen sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht!