Literaturstunde statt Rap-Battle

Lit.z, Stans, 20.09.2018: Im rustikalen Holzgebälk des Literaturhauses Zentralschweiz las Jürg Halter aus seinem Debütroman «Erwachen im 21. Jahrhundert». Ernst und Sarkasmus schüttelten sich die Hände.

Die Zentralschweizer Buchvernissage von «Erwachen im 21. Jahrhundert» glich in ihrem Ablauf einem Theaterbesuch. Denn die Schauspieler, in unserem Fall Autor Jürg Halter und Moderator Boris Previšić, Professor für Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Luzern, waren zu Beginn der Veranstaltung noch Backstage. Nach ein paar einleitenden Worten seitens der Lit.z-Intendantin Sabine Graf betraten die Schauspieler die Bühne.

Halter feierte im Luzernischen schon vor Jahren grosse Bühnenerfolge – man erinnere sich an «Die unglaublichste Talkshow der Welt», die zwischen 2009 und 2013 im Südpol Luzern zu erleben war. Die Kutti MC-Ära des Musikers und Performancekünstlers liegt schon einige Zeit zurück. Nach einem beachtlichen Stapel an Gedichtbänden folgt mit «Erwachen im 21. Jahrhundert» nun der erste Roman des Achtunddreissigjährigen.

Jürg Halters jüngste Metamorphose

Der Roman spielt in einem Raum, wo Realität und Traumwelt zu einer Symbiose verschmelzen. Ein Stream of consciousness, an verschiedenen Orten der (Gedanken-)Welt und doch immer in derselben Wohnung irgendwo mitten in Europa. Die Leser*innen werden Zeug*innen von Gesprächen mit einer erschreckend intelligenten Algorithmus-Dame namens Eliza, oder beobachten das Flüchtlingsboot «Arche Noah» in der Badewanne des Protagonisten, um nur einige Beispiele zu nennen. Während der Lesung wurde schnell klar: Halter treibt aktuelle Themen ad absurdum. Wie stehen wir zu diesen Debatten? – lautet die wohl nachdrückliste Frage des Romans an uns.

Wie die Geschichte des Romans, spielte sich auch die Gesprächs-Performance auf der Lit.z-Lesebühne irgendwo zwischen Ernsthaftigkeit und Amüsement ab. Halter gestand, dass er selbst noch nicht wisse, was er mit dem Roman angestellt habe. Sein treuer Begleiter Sarkasmus kam oft zu Wort. So überhöhte er den Griff zum Wasserglas während des Lesens zu einer Performance, die den Höhepunkt des Abends darstellten solle, wie Halter beiläufig bemerkte. Dieser sarkastische Ton findet sich auch auf der Homepage des Künstlers:

Jürg Halter
Quelle: http://www.juerghalter.com/dienstleistungen/

Lesen – Gespräch, Lesen – Gespräch, Lesen – …?

Die Veranstaltung bestand aus drei Teilen. Die berühmt-berüchtigte Frage nach autobiographischen Elementen innerhalb des Romans stand gleich zu Beginn, nach der ersten Lesung, im Raum. Auch die neuzeitliche Überforderung durch unzählige Eindrücke von Medien und die fortschreitende Digitalisierung, sowie eine kritische Analyse des Literaturbetriebs wurden angesprochen. Thema um Thema wurde so im Gespräch angeschnitten, vieles blieb auch aus. Der Widerstands- oder Selbstverteidigungsroman sei von vielen Schnitten geprägt und folge einer Art Cut-up-Technik. Halbernst fügte Halter hinzu, dass ihm der genaue wissenschaftliche Begriff dafür jedoch entfallen sei.

Previšićs eigens verkündete Lieblingspassage wurde für den Schluss aufgehoben. Deren Besprechung hätte ein ernsthafter Höhepunkt werden können. Doch nach dem Lesen war Schluss, eine Besprechung blieb aus. Schade! Nichtsdestotrotz wurde das Buch am Ende signiert: «Widerstand leben & feiern!»

Jürg Halter: Erwachen im 21. Jahrhundert
Zytglogge Verlag, 2018

Link zum Buch / Link zu Jürg Halters Homepage

Jürg Halter