Liebeskrank im Staatsarchiv

Die 9. Luzerner Museumsnacht erkor das Stadt- und Staatsarchiv zum diesjährigen Gastaussteller. Seit 600 Jahren sammelt und konserviert das Staatsarchiv Bilder, Daten und Briefe. Zur Museumsnacht wurden alte Fotos von Orten, an denen man sich verliebte und Briefe von Hoffnungslosen und Hoffnungsvollen hervorgekramt. Dazu gab es eine Liebes-Bar, einen DJ, Schatzkästchen-Führungen und eine sehr amüsante Lesung von Anna Mäder, Samuel Zumbühl und Blockflötist Pius Strassmann.

(Von Nina Laky)

«LiebesLust im Archiv» nannte das Geburtstagskind Staatsarchiv seine Nacht der offenen Türen. Und das mit der Liebe ist ja so eine Sache. Für gebrochene Herzen gab es aber Hoffnung und die fand sich – wie so oft –an der Bar. Die Hoffnung dümpelte aber auch hin und wieder über die Boxen in die Seele oder über die Projektionen an der Wand, die glückliche Luzerner Päärchen beim Küssen zeigten. Die Hoffnung schien zu verschwinden, als die Lesung «Sehnsucht Liebe» die schönsten Liebesbriefe präsentierte, aber sich die beiden Leser am Ende hoffnungslos zerstritten.

Die Bar Im Getränkeangebot der «LiebesLust» Bar im Staatsarchiv fanden sich Drinks für alle Liebesformen. Da gab es den Greenhope-Drink für jene, die noch auf die grosse Liebe warteten und hofften. Er war durch und durch grün und am Rande des Bechers fand sich eine Kiwi in Herzform (er schmeckte vorzüglich). Der Redheart hingegen eher was für die Glücklichen, ein roter Drink mit Erdbeeren. Für eine Abkühlung nach einer heissen Liebesnacht gab es Bier, für den ersten scheuen Kuss auf dem Spielplatz gab es Mineral und für die ganz Hoffnungslosen gab es die üblichen Drinks. Ein Konzept, bei dem viele vielleicht kurz reflektiert haben und sich einen kurzen Moment entscheiden mussten: ob hoffnungslos aber wartend? Oder ganz hoffnungslos? Die Bar wurde – es liegt nahe – mit viel Liebe geführt.

Der DJ In der Eingangshalle fand sich neben der Bar auch das DJ-Pult von Sam Pirelli und daneben ein Vorhang. Da konnte man sich, wenn man wollte, auch zurückziehen. Über dem erblondeten DJ lief eine schwarz-weiss-Projektion, die küssende und lachende Paare zeigte. Mit der Musik führte das zu einem Überdruss an Kitsch und zu einem schmelzenden Herz bei jedem Betrachter. Sam Pirelli unterhielt mit seinen Liebeshits von französischen Schnulzen bis hin zu deutschen Spermaliedern die glücklichen und die gebrochen Herzen gleichsam.

Die Lesung Anna Mäder und Samuel Zumbühl lasen ausgesuchte Liebesbriefe aus dem Luzerner Archiv vor. Wobei vorlesen übertrieben wär. Zum Lesen kamen sie nämlich meist nicht, weil sich der bekannte Mann-Frau-Konflikt stellte. Er weiss alles besser. Sie weiss alles noch besser. Als Erstes wurde Zumbühl rausgeschickt um zu üben. Die Glaswände liessen druchblicken, wie er sich enthusiastisch ans Werk machte. Wieder im Saal, konnte das Vorlesen des ersten Briefes beginnen. Er kam aus dem Jahr 1810 und war sehr romantisch. Begleitet wurde die Lesung von Pius Strassmann, einem Luzerner Blockflötist-Virtuosen. Sein Spiel war durchaus ironisch und wurde schlichweg immer wieder als «schön» bezeichnet. Nach der Musikeinlage konnte es weitergehen, obwohl weitergehen übertrieben wäre. Mäder und Zumbühl korrigierten und stritten sich die ganze Zeit unglaublich mühsam, aber sehr lustig. Man wartete auf jeden neuen Brief gespannt und wollte aufspringen und die beiden zur Vernunft bringen. Der zweite Brief kam dann aber doch noch, er stammte aus dem Jahre 1815 und hiess «Liebesbrief eines Landjägers an ein Gaunermädchen». Wie unglaublich schön und übertrieben schon nur der Titel des Briefes klingt. Das Vorlesen dieses Briefes war gewollt tolpatschig. Maria Achermann schrieb in der Antwort auf diesen Brief Folgendes: «Wirklich tut mir es weh, wie ich sehen muss, wie kaltblütig und trocken sie zu mir sind». Das leichte Lachen vonseiten Zumbühl wurde sofort im Keim erstickt, als Mäder am Schluss erklärte: «Das esch ned loschtig, sie esch gschlage worde!» Ja so war das damals. Es folgte ein weiterer Brief und weitere Dispute und weitere Flötenspiele. 1831 schrieb eine Frau an Josef Schüpfheim einen Brief mit klaren Bedingungen, die er zu erfüllen hatte, sonst würde sie ihn nicht heiraten. Ja so war das damals. Es sollten wahrscheinlich noch weitere Briefe folgen, aber die beiden Vorleser gerieten sich so heftig in die Haare, dass sie den Saal fluchend und streitend verliessen und das Publikum ihnen noch bis in den nächsten Stock dabei zuschauen konnte. Dieses Spiel hat den Nerv getroffen, ist doch Liebe nie ohne eine leichte Portion Hass möglich – und streiten tun sich Paare ja seit jeher.

Die Bilder «Orte des Verliebens» heisst die Bilderausstellung, die wunderbare alte Fotos von Luzern zeigte. Orte, die sogar mir noch als «Orte des Verliebens» bekannt sind. So zeigt die Ausstellung zum Beispiel Jugendliche an der «Määs» oder den Quai, an denen glückliche Paare sonntägliche Spaziergänge unternehmen, bei denen sicherlich schon die eine oder andere Liebe gefunden wurde. Die neunte Ausgabe der Luzerner Museumsnacht ging um 1 Uhr in der ganzen Stadt zu Ende. Im Archiv blieb wohl noch ein klein wenig Liebeszauber in der Luft. Für alle Hoffnungslosen hier ein kleiner Trost. Das Herz besteht aus zwei Kammern (oben ersichtlich) und ist somit sowieso das Leben lang gebrochen. Dagegen helfen können grüne Drinks oder romantische Zitate wie jenes hier, welches aus einem vorgelesen Brief stammt: «Jesus hat schon recht, wenn er sagt, wo ihr Schatz ist, ist auch ihr Herz.»