Lesen im Viererblock

Eine Autorin und drei Autoren lasen am Donnerstag bei Barfood Poetry im Fourmi (für Kutti MC wär das schon ein Reim) aus Büchern, in denen gedruckt ist, was sie einst zum Sprechen geschrieben hatten. Mit anderen Worten: Vier von bisher sechs Namen aus der Luzerner «edition spoken script» waren zu Gast für Textperformances von Mundart über Hochdeutsch bis polyglott.

Zuerst lesen sie alle vier miteinander aus den Büchern im schönen Stimmengewirr. Dann nacheinander. Wer früh aufsteht, könnte den Wurm fangen bzw.: Guy Krneta (1964) ist Autor in der DRS1-Reihe «Morgengeschichten», wo eben in aller Herrgottsfrühe Kurzes gelesen wird. Man kann das in Auswahl im Fall Krneta seit 2009 im Auftaktband der «spoken script»-Reihe (die mit den schönen weissen Büchern) nachlesen. Oder es sich, wie gestern, in Auszügen vom Autor höchstselbst wieder mal vorlesen lassen. Eine famose Sache.

Krneta, der in Basel medienpolitisch engagierte Berner, ist ein Mundartist, während die folgende Heike Fiedler (1963), gebürtige Deutsche in heute Genf, nicht einfach Hochdeutsch performt, sondern vieles sprachlich fusioniert. Französisch kommt dazu, Englisch ist zu hören, aber auch Spanisch. Sie ist die Experimentellste in der Runde und macht ihre Sache virtuos. Mit «revolver», so kommentiert sie kurz, bringt sie quasi einen vorausgeschriebenen Nachhall auf den Fall Bertrand Cantat: Der Sänger der französischen Band Désir Noir hatte ja 2003 seine Freundin Marie Trintignant getötet und soll jetzt in einem Theaterstück auf die Bühne, was in Genf für Skandalträchtiges sorgt im Moment.

Er ist schon so etwas wie der «Elder Statesman» in Sachen helvetisches Spoken Word: Beat Sterchi (1949), einst gefeierter Autor des Romans «Blösch», ist Berner und auf besondere Weise auch «Gotthelfianer». Denn neben grossartigen Texten (die noch grossartiger in Sterchis Vortrag wirken) zu Agglomeranern und Outo und MigrosDennerCoop und anderen Abirrungen der Zeit gibt’s von ihm im Buch das Kapitel «Bitzius» mit Texten, bei denen er Jeremias Gotthelf alfabetisch geordnet und gekürzt» hat. Wunderbar!

Schliesslich Jens Nielsen (1966), Aargauer in Zürich. Seine Textperformance ist aus naheliegenden Gründen die, sagen wir: lebendigste und professionellste. Denn Nielsen ist Schauspieler und hat den Vorteil, seinen Vortrag eben entsprechend gestalten zu können. «Alles wird wie niemand will» heisst sein «spoken script»-Buch mit ins Surreale kippenden, tragikomischen Erzählungen, die es in sich haben. Beispiel: «Vorstellung», rasant furios und bravourös das alles. Zum Schluss kommen sie wieder zu viert auf die Bühne und lesen übers Kreuz: Krneta liest Fiedler, Fiedler liest Krneta, Nielsen liest Sterchi und Sterchi liest Nielsen. Was passierte da eigentlich? Genau dies: Das einst geschriebene Wort ward zum Gesprochenen (auf Bühne, im Radio) und daraufhin zum im Buch Gedruckten und wiederum am gestrigen Donnerstag zum von den das alles geschrieben Habenden ab dem Gedruckten zum Gelesenen (aka Performten). Ist im Grunde ganz einfach, eine schöne Zirkel-Bewegung. Zwischenbemerkung: Schande über die Absenten. Wenns nicht grad ein Comedy-hafter und für tüchtig Action sorgender Slam ist, glänzt das sonst so kulturbeflissene Publikum mit grossmehrheitlicher Abwesenheit. Und wann eigentlich lassen sich eigentlich Professionelle bei Barfood Poetry blicken, wo all die Mittelschullehrpersonen mit Sprachaffinität allerschönste aktuelle Anschauung vor der Nase und Tür hätten? Nur eine Frage. Man hat was verpasst. Und kann die Bücher auch kaufen.

Nächster Termin in Spoken Word City: Dienstag, 24. Mai, 20.00, Fitzgerald & RiminiLoge The next big thing: 10 Jahre Barfood Poetry, Donnerstag, 9. Juno, 20 Uhr, Théâtre La Fourmi, mit Bern ist überall, Jaromir Konecny, Sandra Künzi, Aeberli/Zahnd, Elsa Fitzgerald, Gabriel Vetter, Matto Kämpf und MC Toni Caradonna