Leicht? Gewichtig!

Literaturhaus Zentralschweiz, Stans, 09.09.2017: Dinge, Sachen, Gegenstände in überraschend-unvermutete Zusammenhänge gebracht, mit Verschmitzheit, spielerischem Witz, Arrangements und Ensembles. Gewichtige Gedanken, leicht gemacht. Max Christian Graeff (Kriens/Wuppertal) ist mit seiner künstlerischen Intervention «Gewichte: Objekte, Auslegungen, Installationen» Gast im Nidwaldnerischen.

So steht’s im Programm geschrieben: «Nicht allein das Wort zeigt Poesie; sie lebt auch in Gegenständen und Situationen. Wenn der Gedanke zur Materie wird, die Formulierung zum Bild, der Reim zur Installation und die Melodie zum Objekt im Raum, treffen sich Handwerk und Dichtung im Auge des Betrachters.»

Was mag das bedeuten? Vernissage-Redner Patrick Hegglin versucht keine Antworten, nein, er versetzt sich quasi und sozusagen in die Rolle von Graeff selber, so offiziell annonciert, als «Ersatz-Graeff»; sei der richtige, jetzt zu lobende Graeff doch bekannt für seine ausschweifend-abschweifenden «Schwurbeleien».

handtäschliAlso, da sind in den Räumen des Literaturhauses Zentralschweiz im Nidwaldnerischen Dinge, Sachen, Gegenstände zu sehen, wenn man sie entdeckt, die sich in das bisher Bestehende einschleichen. «Bespielen» heisst das im Kunst-Sprech. Man entdeckt objects trouvés in verschmitzen Arrangements, offenbar Selbstgezeichnetes (Kugelschreiber), Sammelsachen. Die unten angehängten Bilder sprechen für sich. Abtrocktücher sind, gelocht, in Ordner verstaut, ebenso – Buchvandalismus? – Hardcover-Buchumschläge, zweimal eine halbe alte Macintosh-Tastatur, einmal sogar eine einsame Handtasche. An der Wand Poem-Plots und Abrisskalender mit identischem Datum (31.12.), in Vitrinen (Max Bill?) Diverses, unter anderem Einmachgläser mysteriösen Inhalts. Mein Lieblingsobjekt: ein Ordner Marke «Iron Maiden», was nichts mit lärmiger Langhaarfrisur zu tun hat, sondern vielmehr an schmerzhafte stachelige Foltermethoden gemahnt. Muscheln sind auf einem Tisch fein säuberlich arrangiert zum Thema «La nascita di Venere» («Die Geburt der Venus», Botticelli, 1486). Und sonst noch so einiges. Bei ordentlichen Literaturveranstaltungen kann man sich beim lit.z-Besuch automatisch ein Bild machen. Ist irgendwie Kunst und kann nicht weg.

Im Anschluss an die Vernissage geht’s einen Stock höher unters Dach, wo sich der Bühnenraum befindet. Graeff ist als Polytalentierter ja auch noch Sänger von Canaille du jour im Gespann mit Tastenmann Christov Rolla. Vor dem Konzert gibt es aber noch eine Solidaritätsbekundung: Literaturhausleiterinnen Sabine Graf und Daniela Krienbühl verlesen das Luzerner Landsgemeinde-Manifest.

Das Konzert bietet, der Ort gebietet’s, auch «richtige» gesungene Literatur, nebst natürlich eh schon literarischen Lyrics (vom Französischen ins verständliche Deutsche übertragen) hört man Vertontes von Walter Mehring sowie etwas von Thomas Mann auf eine Melodie von Leiber-Stoller. Als Zugabe die Eigenübersetzung von Lou Reeds Velvet-Underground-Stück «After Hours» (1969, im Original von Drummerin Mo Tucker gesungen).

Graeff geht, bleibt aber erhalten. Er muss nicht weg für immer, kann nicht, denn: Unter anderem hat er im Luzerner Duo Canaille du jour zu tun, vorsingend. Und ein Zweites: Graeff ist nach wie vor dabei, wenn es in der Luzerner Loge allmonatlich heisst «The Beauties & das Biest» (er gehört zu den Beauties der Lesebühne), das nächste Mal am 7. November (immer wieder dienstags, 20 Uhr).

«Gewichte: Objekte, Auslegungen, Installationen»
Von und mit Max Christian Graeff
Bis 30.11.2017
Geöffnet auf Anfrage und an lit.z-Veranstaltungen
Führung von und mit Max Christian Graeff: 18.10.2017, 20 Uhr (Eintritt frei)

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