«LEGALILLEGALSCHEISSEGAL» – Slime im Sedel

Slime, die wichtigste deutsche Punkband, ist zurück und spielte am Samstag im ausverkauften Sedel. Viel Bier und politische Parolen – es funktioniert auch heute noch.

22 Uhr, als ich im Sedel eintreffe beginnen Slime aus Hamburg im Club gerade zu spielen. Das Konzert ist ausverkauft. Vor dem Sedel zerspringt Glas, liegen Bierflaschen und auch Personen in dunklen Ecken. Slime sind 30 geworden, der Sedel wird es im nächsten Jahr, nicht nur deswegen passt die Band perfekt in den kleinen Club. Den eigentlich zu kleinen Club für eine Band dieses Formats. Das Konzert war auch ein Tribut an den Sedel, aus Respekt gegenüber dieser weit hinausstrahlenden, einzigartigen Institution.

Slime sind gewissermassen das politische Gewissen des deutschen Punks, war die Band der linken Szene der 80er. Gegründet 1979, erstes Album «Slime I» 1981. Der Peak war 1993 mit «Schweineherbst», dem erfolgreichsten und besten Slime-Album erreicht. Man ging ab 1994 getrennte Wege – um sich 15 Jahre später wieder für einige Festivals und Clubshows zu treffen. (Nur Trommler Stephan blieb der Reunion fern, ihn ersetzt Alex Schwers von Hass.) Zur geglückten Rückkehr passt auch, dass Slime ihre gesamten Aufnahmen von ihrer alten Plattenfirma, die an ein kommerzielles Label verschachert wurde, erfolgreich zurückforderten und somit wieder in eigenen Händen halten und unter «Slime Tonträger» in aufbereiteter Form verkaufen (Re-Mastering, Bonustracks etc.). Denn: «Stay independent! Stay Punk! Fuck the music industry!» Slime spielen immer noch die Songs aus den 80ern und 90ern – Gedanken zu machen über neue Songs, dazu seien sie noch nicht gekommen, ging ja auch ziemlich schnell mit der Reunion, der Tour und dem unablässigen Erfolg. Einerseits bei jenen, die bereits vor 30 Jahren dabei waren, aber auch bei Nachgeborenen – wie sich ziemlich schön im Sedel zeigte. Da war altersmässig von 20 bis 60 alles vorhanden. Das Bier in der Hand, die Posen und die Faszination für gebrüllte politische Parolen verbindet die Generationen.

Wieso Slime das nochmals machen?, kann man sich fragen. Einerseits machen die das immer noch mit Spielwitz und Überzeugung, andererseits haben die Worte auch heute noch ihre Gültigkeit: Gegen übereifrige Bullen, gegen linke Spiesser, den Staat, gegen Atomstrom und Nazis – und vor allem: gegen Hansa Rostock. Sätze blieben im Kopf hängen: «Ich glaub eher an die Unschuld einer Hure als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz.» Die Musiker sind inzwischen gestandene Herren (und eine Dame am Bass), die die 40 wohl schon passiert haben. Sänger Dirk hüpft bisweilen, unterstützt die Parolen durch Mimik und Bewegungen – ansonsten sind sie einfach da und dreschen und sind laut. Laut, gut und überzeugend. Slime müssen niemandem mehr etwas beweisen und das wissen sie – sie verlassen sich ganz auf die Wirkung der Worte, der harten Riffs und der schnellen Beats. Punk ohne Schnickschnack. Vor der Bühne wird ordentlich abgegangen und Bier verschüttet – im hinteren, weit engeren Teil des Clubs zieht man es vor, das Konzert stehend und das Bier trinkend zu geniessen. Draussen sagt irgend ein Junger: «Es ist nicht mehr dasselbe wie früher.» Doch, das ist es – und das ist gut so.

«Legal, Illegal, Scheissegal» (Live in Berlin, 1990): Legal, Illegal, Schweissegal — Interview mit Slime bei Radio 3fach: hier [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Wb6ULF76if8[/youtube]