Lautes, Leises, Frickeliges

Stanser Musiktage, 11./12.4.2018: Konzertberichte zum Zweiten. Es ist die Rede von Frickel- und HC-Trios, mehr Weihevollem, einem Weltstadt-Heimspiel und etwas verlorenem Muotataler Naturjuuz. Und aber auch: Heute, morgen und am Sonntag lohnt sich der Weg ins Nidwaldnerische weiterhin.

Sie haben alle je schon miteinander Musik gemacht, die Trio-Formation stellt allerdings eine Novität dar. So sind sie zur Erstaufführung des Programms «A Journey To Splendor» am Mittwoch in der Kapuzinerkirche zusammengekommen. Um Orient und Okzident zusammenzubringen. Namentlich: der Franzose Michel Godard mit seinem Bass-Gebläse Serpent und einem akkordisch gespielten E-Bass, die bosnische Sängerin Natasa Mirkovic und der ägyptische Oud-Spieler Ihab Radwan. In kurzen Moderationen wird mal etwas erklärt, Inhaltliches oder der Umstand, dass sie Traditionelles ebenso wie neu Komponiertes interpretieren. Mal wird eine praktisch identische Lied-Geschichte in einem arabischen und in einem bosnischen Beispiel gebracht. Der ganze Konzert-Gestus ist eher zurückhaltend, es kann improvisiert werden, es wird unisono gespielt. Mit dem Gesamteffekt, dass es uns am Ende doch etwas weihevoll vorkommt. Was nicht unbedingt nur am akustisch suboptimalen sakralen Raum liegen muss.

Wir ziehen am Mittwoch weiter ins Chäslager. Angesagt sind Širom, ein slowenisches Trio mit Iztok Koren, Ana Kravanja und Sama Kutin. Ihre Affiche hätte lauten können «Freak-Folk und Fake-Folk». Die ungewöhnlichen Besetzungen und die Stücke verweisen auf Folk, allerdings auf einen Imaginären. Die drei überraschen mit immer auch spannend anzusehenden Akustik-Frickeleien auf einerseits traditionellen, d.h. auch: gekauften Instrumenten und andererseits selbstgebastelten. Violine, Viola, Schlagwerk, Banjo (allerdings auch gestrichen mit Bogen zum Tönen gebracht), Balafon – einige erkennen wir, für andere fehlen uns schlicht die Worte. Und irgendwann haben wir auch aufgehört zu zählen, was da alles im steten Wechsel von Fellen, Saiten und Hölzern aufgetischt wird. Unaufgeregter unplugged Minimal-Sound, wie man es noch nie gehört hat.

Donnerstag, 12.4., Pfarrkirche. Mit «Night Taxi – Berlin Suite» kommt es zu einem Heimspiel. Kollegi-Musiklehrer Dominik Wyss hat die deutsche Hauptstadt gleichsam vertont in einer imaginär 24 Stunden umspannenden Kompositionen aus 9 Sätzen, von der frühen Dämmerung bis zur nächsten Nacht. Töne für die Bilder im Kopf. Wyss nennt sein Werk denn auch «Filmton», Stadtbilder und -Stimmungen evozierend, vom 20-köpfigen Orchester aus grundsätzlich Einheimischen interpretiert. Mal swingig, mal klassisch, mal leicht orientalisch angehaucht, wiederholt das eine oder andere musikalische Zitat eingestreut in einer Weltstadtmusik, die bewusst auch die Stille, die man hören sollte, mit einbezieht. Als Präludium (und als Zugabe) stimmig die Titelmusik zu Martin Scorseses «Taxi Driver» vom legendären Filmmusikkomponisten Bernard Herrmann (Orson Welles, Alfred Hitchcock, François Truffaut).

the thing

Das Chäslager ist am Donnerstag musikalisch das Gegenteil des Mittwochs. Zwar ist auch ein Trio am Werk, aber es ist ein lautes. Die schwedisch-norwegischen The Thing erfreuen das Herz mit ihrem freejazzigen Powersound. Da denken wir uns am Anfang, dass Bassist Ingebrigt Håker für seine wilden Läufe doch besser eine elektrifiziere Bassgitarre als sein sperriges Holzmöbel bearbeiten sollte – und er tut es dann auch, tauscht, vorübergehend, Kontrabass gegen E-Gitarre. Der Rest ist eine geballte Ladung Impro-Gegroove von Bass, den diversen Saxofonen von Mats Gustafsson und dem Drums von Paal Nilssen-Love, fulminanter Garagen-Jazz mit HC-Attitüde. Macht Spass.

Etwas verloren wirken, den Umständen geschuldet, auf der Länzgi-Bühne die Männer von Natur pur. Was sie eigentlich praktizieren, bei «Obwald» haben wir es einmal erlebt (und dann sofort die CD gekauft), ist Gänsehaut erzeugender Naturjuuz, bestrickend, betörend, archaisch. Leider geht der Vortrag ziemlich im Trubel des hohen Gastro-Pegels unter. Sehr schade. Immerhin haben Natur pur eine Alternative zu bieten, wenn sie sich zum Echo vom Schattenhalb verwandeln, um mit Schwyzerörgelis und Kontrabass instrumental etwas lauter zu werden.

natur pur

Wir empfehlen im weiteren Verlauf der heurigen Stanser Musiktage noch dies:

Freitag, 13.4., 18.30, Pfarrkirche: Jugendchor jutz.ch & Vera Kappeler

Freitag, 13.4., 21.00, Theater an der Mürg: Blind Butcher presents: The Intergalactics

Samstag, 14.4., 19.00, Unteres Beinhaus: Linda Vogel solo AUSVERKAUFT

Samstag, 14. April, 20.30, Theater an der Mürg: Doppelkonzert mit Elina Duni solo und 22º Halo

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