Laut mal: Quietsch, Gacker, Gurr

Südpol Luzern, 3.6.2016: «DadaFefe» heisst das multikulturelle Hommage-Unternehmen zum 100. der einst revolutionär-avantgardistischen Kunstbewegung. Es ist recht Kurzweiliges im Zusammenspiel von Wort, Musik, Tanz zwischen Un-, Blöd- und Hintersinn. Dada à gogo.

Vier Frauen haben lustige Hüte auf dem Kopf, zwei von ihnen spielen mit allen vier Händen Klavier, seltsam-wunderliche Laute werden hörbar, so aneinandergereiht, Wörter sind es, die wir nicht kennen, aber dahinter den Sinn erahnen, schon zur Begrüssung; man singt und tanzt und dichtet. Einmal gibt’s eine stumme Engtanz-Trampelstampf-Choreo von allen vieren; auf allen vieren, mit gestiefelten Armen, lässt sich auch durch den Raum gehen. Abwaschbürstchen dienen als Telefonapparate; es hat aber auch richtige Handys, in die man sprechen kann und wo dann das soeben Gesprochene in einem menschlichen Glockenspielkarussellreigen reproduziert wird. Im Bühnenraum da und dort, am Boden liegend, unter dem Flügel hängend, später auf den Rücken oder neckisch ans Haupt geschnallt: Ballons in Eutergestalt. Einmal hängt ein A aus einem Hut. «O! Mate» – «O! Bergine». Ein besonderes Bewegungsarrangement verleiht dem Flügel Flügel. Mit Kartonrohren und Metallkugeln kann man das edle Instrument auch inwändig auf den Saiten bespielen oder man kann in es als Resonanzkörper hinein lauten qua Stimme. Onomatopoetisch tönt es immer wieder mal – Quietsch, Gacker, Gurr. Mit dem am Anfang hängenden und dem über den Publikumköpfen nach vorne geholten transparenten Folien wird nicht nur getanzt, sondern der ganze Flügel samt Spielerinnen christomässig eingepackt.

dadafe

Mit anderen Worten: Es ist Dada – laut Hugo Ball «ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind». Wortsingstanzspiel. Was vor 100 Jahren – wer hat’s erfunden? – entstand, feiert 2016 konsequenterweise Jubiläum, allüberall und allenthalben. So auch als Premiere im Südpol im Programm «DadaFefe» von und mit Isa Wiss, Elina Müller Meyer, Claudia Ulla Binder und Manuela Keller unter inszenatorischer Anleitung von Nicole Davi. Es ist eine heutige Hommage an das Damalige, das weiterwirkt. Altes aufgefrischt und mit eigenem Neuem angereichert ergibt das Kurzweiliges voller Blöd-, Un- und Hintersinn, wie mans nimmt. Alles ist freilich komisch und gekonnt. Dada meint Zertrümmerung nicht nur der literarisch-sprachlichen Konventionen, Protest gegen den Wahnsinn der Welt draussen (es war Krieg anno 1916), Avantgarde-Explosion von Kreativkraft. Und weils so schön war, hier in voller Länge Emmy Hennings’ «Gesang zur Dämmerung» («für Hugo Ball») aus dem Jahr 1916, anno 2016 als Telefongespräch auf die Bühne gebracht: Oktaven taumeln Echo nach durch graue Jahre. Hochaufgetürmte Tage stürzen ein. Dein will ich sein - Im Grabe wachsen meine gelben Haare Und in Holunderbäumen leben fremde Völker Ein blasser Vorhang raunt von einem Mord Zwei Augen irren ruhelos durchs Zimmer Gespenster gehen um beim Küchenbord. Und kleine Tannen sind verstorbene Kinder Uralte Eichen sind die Seelen müder Greise Die flüstern die Geschichte des verfehlten Lebens. Der Klintekongensee singt eine alte Weise. Ich war nicht vor dem bösen Blick gefeit Da krochen Neger aus der Wasserkanne, Das bunte Bild im Märchenbuch, die rote Hanne Hat einst verzaubert mich für alle Ewigkeit.

Nächste Woche geht’s weiter ins Flux Laboratory in Zürich. Und natürlich darf der Ort der Orte nicht fehlen, wenn die Devise «Dada» heisst: Am 2. Oktober gibt’s eine Vorstellung, genau, im Cabaret Voltaire. In der Nähe: Sa, 19.11., Burgbachkeller, Zug. (Noch mehr Kultur auf dem freitäglichen Heimweg über die Allmend. Kontrastprogramm zum eben Erlebten, diesmal feucht und matschig: Sechs ältere langhaarige tätowierte Engländer (aka Iron Maiden) machen Krachmusik.)

DadaFefe. Ein anarchisches Cabaret Isa Wiss: Stimme Elina Müller Meyer: Tanz Claudia Ulla Binder: Piano Manuela Keller: Piano Nicole Davi: Mise en scène Musik: Erwin Schulhoff, Erik Satie Texte: Emmy Ball-Hennings, Isa Wiss