Läck, das war ein perfektes Konzert!

Schüür Bar, 06.11.2015: Vier Jahre ist es her, dass der zum Koboi geläuterte Graf seine letzte Platte publizierte – nun lud er in die Schüür-Bar zur Taufe seines neuesten Werks, «The Dance Decade». Und siehe da: Es ist vollumfänglich gelungen.

(Von Girafo Gondolfsky)

Manchmal wird einem gar schmerzlich bewusst, wie schnell die Zeit vergeht … Dann etwa, wenn eine geliebte Band aus der kreativen Versenkung auftaucht und nach langen Jahren endlich wieder eine neue Platte präsentiert: «Wow, war das tatsächlich schon 2011?» Count Gabba, in Luzern zu Ruhm gekommen mit den legendären Meyer, hat sich schon vor sieben Jahren dem Country zugewandt und mit «The Lady’s Gone» eine erste entsprechende Scheibe auf die hiesigen Plattenteller spediert. Zwei Jahre darauf folgte die Folk-Country-Platte «Country Noir», eingespielt und live vorgetragen mit einer ausführlichen Kombo, in der sogar eine Bratsche nicht fehlte. Das ist nun doch schon vier Jahre her, in denen der Count – hier differieren die Quellen – entweder als Musiker auf einem Kreuzfahrtschiff fungierte oder aber für die NASA-Marsmission trainierte. Auf jeden Fall fand er den Weg zurück – und weg vom Folkigen, hin zum honkytonkesken Rockabilly. Entsprechend wurde die Band neu besetzt, einzig Clodophon The Breakwater blieb erhalten am Kontrabass – doch auch er ist nimmer derselbe: Die harten Lehr- und Wanderjahre mit den Knocked Out Rhythms liessen ihn die Slap-Technik perfektionieren; der Mann ist nun ein wahres Rhythmuskraftwerk. Am Schlagzeug sitzt mit Tom Tomahawk eine weitere einheimische Koryphäe, und komplettiert wird das Quartett von Felicio Del Toro an der Telecaster. Hiesige MusikliebhaberInnen kennen jeden der Künstler hinter den lustigen Pseudonymen – es handelt sich fürwahr um eine beneidenswerte All-Star-Besetzung.

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Und entsprechend überzeugend ist das Resultat, «The Dance Decade»: Die Nummern rumpeln und rocken, sie klingen authentisch nach ihren Wurzeln, die Band harmoniert wunderbar und ist mit grosser Spielfreude am Start. Der Count selbst (der auch die Rhythmusgitarre bediente) wirkte anfangs etwas nervös, doch entwickelte er schnell den Charme und den Schalk, die ihn schon zu seiner Zeit beim Peter Thali Quintett zum unbestrittenen Liebling aller verlassenen Herzen machten. Stimmlich hat er gegenüber der letzten Tournee sogar noch zugelegt: Die endlosen Weiten des Mittleren Westens timbrieren bei jedem Ton mit, die maskuline Rauheit ist genau richtig dosiert. Und seine Kompositionen landen stil- und zielsicher direkt in des Cowboys und -girls Herz. Über das Kriegsbeil am Schlagzeug braucht man kaum Worte zu verlieren – wer hätte je ein Konzert mit Tom erlebt, bei dem man die Band nicht um ihren Drummer beneidete? Dasselbe gilt natürlich für Freund Clodophon – und, taminomoll!, kann der Kerl slappen! (Für alle, die damit nicht vertraut sind: In den Anfangszeiten des Rockabilly setzte man oft auf eine traditionelle Besetzung ohne Schlagzeug. Die rhythmischen Schläge übernahm der Kontrabassist, der die Saiten gleichzeitig zupfte und aufs Griffbrett knallen liess. Gut hört man das z.B. hier.)

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So weit, so gut. Doch die wahre Entdeckung des Abends war Gitarrist Del Toro. Man kannte ihn schon als vielseitigen Jazzer und begnadeten Flamencospieler – doch wie er sich die so typische Honkytonk-Telecaster-Sprache angeeignet hat, haute einen dann ziemlich von den Socken. Man stand den ganzen Abend verzückt direkt vor der Gitarre und hätte seinem neuen Tele-Gott die Füsse küssen mögen. Welch Präzision! Welch Leichtigkeit! Einen guten Eindruck seiner und der Band Leistungsfähigkeit (mit schönem Slap-Intro) bietet «Pretty Mediocre», ebenfalls ein gutes Beispiel für die archaische Tanzbarkeit des neuen Programms. Fazit: Eine rundum überzeugende Band, eine starke Platte mit ebensolchen Kompositionen (aufgenommen in nur drei Tagen im Black Shack Studio in Calw) – und die Schüür-Bar überzeugte einmal mehr völlig als Location für Konzerte dieser Art. (Wenn man vom leidigen Rauchverbot genauso absieht wie vom Umstand, dass man nach Mitternacht fliehen muss, weil man sonst ersäuft in einer Horde aufgedrehter Zwanzigjähriger mit Hormonstau. Hercolani.) Ein wahrhaft perfekter Abend! Deshalb der dringende Rat: Das Programm anschauen gehen und – im Ernst! – die Platte kaufen.

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